a) Leibliche Kinder

 

Rz. 5

Als Erben erster Ordnung i.S.d. § 1924 Abs. 1 BGB werden die Abkömmlinge des Erblassers, also seine Kinder, Enkel, Urenkel etc., selbstverständlich durch das Pflichtteilsrecht geschützt. Dabei ist zu beachten, dass Ansprüche entfernterer Abkömmlinge ausgeschlossen sind, wenn der die Verwandtschaft vermittelnde nähere Abkömmling bei Eintritt des Erbfalls noch am Leben ist.[6] Darüber hinaus gelten gem. § 2309 BGB Einschränkungen für den Fall, dass der die Verwandtschaft vermittelnde nähere Abkömmling zwar noch lebt, aber erbrechtlich weggefallen ist.[7]

 

Rz. 6

Zu den Abkömmlingen i.S.d. § 2303 BGB zählt für den Fall, dass er lebend geboren wird, auch der Nasciturus (vgl. § 1923 Abs. 2 BGB), wenn er zurzeit des Erbfalls bereits gezeugt war.[8]

[6] RGZ 93, 193, 196: "Demselben Stamm darf nicht zweimal ein Pflichtteil gewährt werden."
[7] Z.B. durch Ausschlagung oder infolge Erbunwürdigkeit.
[8] Staudinger/Herzog, § 2303 Rn 3.

b) Adoptivkinder

 

Rz. 7

Im Gegensatz zur länger zurückliegenden Vergangenheit führt seit dem 1.1.1977[9] die Adoption eines minderjährigen Kindes zur sog. Volladoption. Das heißt, das Verwandtschaftsband des adoptierten Kindes zu seiner natürlichen Familie wird aufgelöst. Dies hat zur Folge, dass das Kind sein Erb- und Pflichtteilsrecht gegenüber seinen leiblichen Eltern und Großeltern verliert, § 1755 BGB. Es wird vollständig und mit allen rechtlichen Konsequenzen in die Familie des Annehmenden integriert und erlangt sowohl gegenüber dem Annehmenden als auch gegenüber dessen Eltern und Großeltern volle Erb- und Pflichtteilsrechte, § 1754 BGB. Nur in Ausnahmefällen wird das Band zu den Blutsverwandten nicht aufgelöst. Es handelt sich hierbei um die Fälle der Verwandten-, Verschwägerten- und Stiefkindadoption, §§ 1755 Abs. 2, 1756 Abs. 1, 2 BGB. Hier bleiben Erb- und Pflichtteilsrechte nach den Blutsverwandten des Adoptivkindes erhalten.

 

Rz. 8

Bei der Annahme Volljähriger wird das Verwandtschaftsband zu den Blutsverwandten hingegen grundsätzlich nicht zerschnitten, § 1770 Abs. 2 BGB. Der Angenommene bleibt daher gegenüber den natürlichen Verwandten erb- und pflichtteilsberechtigt. Die verwandtschaftlichen Beziehungen gegenüber dem Annehmenden werden quasi zusätzlich begründet, dies gilt aber nicht gegenüber dessen Verwandten, § 1770 Abs. 1 BGB.

Damit besteht ein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht sowohl gegenüber den Adoptiveltern als auch gegenüber den leiblichen Eltern (und umgekehrt). Da die Verdoppelung der Elternverhältnisse nicht zu einer Verdoppelung des Pflichtteils führen kann, würde der Elternpflichtteil hälftig zwischen den beiden Elternpaaren geteilt.[10]

Auf Antrag kann das Familiengericht der Adoption eines Volljährigen aber die rechtlichen Wirkungen der Adoption eines Minderjährigen zusprechen. Geschieht dies, gelten die Regeln der Volladoption entsprechend, § 1772 BGB.

[9] Erfolgte die Adoption vor dem 1.1.1977 unter Geltung des alten Adoptionsrechts (sog. Altadoptionen), so ist das in Art. 12 §§ 1–7 AdoptG niedergelegte Übergangsrecht zu beachten, durch das die Altadoptionen in Minderjährigenadoptionen bzw. Volljährigenadoptionen neuen Rechts übergeleitet wurden. Zur alten Rechtslage vgl. Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2303 Rn 5 ff.

c) Nichteheliche Kinder

 

Rz. 9

Mit Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRG)[11] am 1.7.1998 sind die Vorschriften über die Legitimation nichtehelicher Kinder (§§ 1719 bis 1740g BGB a.F.) ersatzlos entfallen.[12] Die Rechtsstellung nichtehelicher Kinder wurde der der ehelichen vollständig angeglichen.[13] So wurde das bisher geltende Erbrecht nichtehelicher Kinder grundlegend revidiert, ohne jedoch neue erbrechtliche Vorschriften einzuführen. Vielmehr wurden die Vorschriften, die bisher den Erbersatzanspruch regelten (§§ 1934a, 1934b, 2338a BGB a.F.), ersatzlos gestrichen. Nach § 10 Abs. 2 NEhelG haben nichteheliche Kinder, die vor dem 1.7.1949 geboren wurden, kein gesetzliches Erbrecht nach ihrem Vater und umgekehrt. Auch durch das Erbrechtsgleichstellungsgesetz (ErbGleichG) hatte sich hieran nichts geändert. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 28.5.2009 entschieden,[14] dass auch nichtehelichen Kindern ein unentziehbares Recht auf Achtung ihres Familienlebens zusteht (Art. 8 Abs. 1 EMRK). Daraufhin wurde durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder vom 12.4.2011[15] die vollständige erbrechtliche Gleichstellung aller nichtehelichen Kinder bewirkt, indem der Anwendungsstichtag nach Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG für die ab dem 29.5.2009 eingetretenen Erbfälle rückwirkend aufgehoben wurde. Demzufolge steht nunmehr auch den vor dem 1.7.1949 geborenen, aber erst nach dem 28.5.2009 verstorbenen nichtehelichen Kindern sowohl ein Erb- als auch ein Pflichtteilsrecht nach ihrem Vater zu.[16] Für Erbfälle vor dem 29.5.2009 gilt zwar grundsätzlich die alte Regelung weiter, jedoch muss nach Auffassung des EGMR ein nationales Gericht bei Anwendung der Stichtagsregelung jedoch unter d...

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