Rz. 17

Zur Klärung von Eignungszweifeln kann (Ermessen!) gemäß §§ 20 Abs. 5, 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 oder §§ 20 Abs. 1 S. 1, 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4–7 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten angeordnet werden.

 

Rz. 18

Danach kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangt werden, wenn

die FE wiederholt entzogen war (§§ 20 Abs. 5, 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 FeV) oder

der Entzug der FE auf einem Grund nach § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4–7 FeV beruhte, also bei Straftaten,

die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder
im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen oder
bei denen Anhaltspunkte für hohes Aggressionspotential bestehen.
 

Rz. 19

Liegen die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 S. 1 FeV nicht vor, so darf aus der Weigerung, ein Gutachten beizubringen, nicht auf die Nichteignung des Betroffenen geschlossen werden.[7] Hatte die Entziehung der FE ihre Ursache in einer Straftat, die im Zusammenhang mit der Fahreignung stand, so muss diese Entscheidung im Wiedererteilungsverfahren bei der Feststellung der Eignung auch noch verwertbar sein.[8] Eine getilgte Eintragung darf für die Eignungsbeurteilung nicht mehr herangezogen werden (§§ 29 Abs. 8, 28 Abs. 2 Nr. 1 StVG; § 51 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 S. 1 BZRG). Dies gilt nicht nur bei der abschließenden Feststellung der Eignung, sondern auch schon bei der Beantwortung der Frage, ob Eignungszweifel überhaupt gerechtfertigt sind.[9]

 

Rz. 20

Die Berücksichtigung von Straftaten kann im Übrigen nur im Rahmen des § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4–7 FeV erfolgen. Es muss sich also um Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung handeln, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential bestehen. Nach § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 Alt. 2 FeV wurde der Katalog dahingehend erweitert, dass auch erhebliche allgemeine Straftaten, die nicht in Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen, eine Gutachtensanforderung rechtfertigen können.

 

Rz. 21

In Betracht kommen hier auch allgemeine Straftaten, wenn sich aus ihnen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich der Betreffende im Straßenverkehr nicht ordnungsgemäß verhalten wird.[10] Aus der Wertung des § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 FeV folgt, dass § 11 Abs. 1 S. 3 FeV keine weiteren Sanktionsmöglichkeiten für Straftäter eröffnet, sondern eine ordnungsrechtliche Regelung beinhaltet, um Gefahren für die Allgemeinheit zu verhindern, die sich durch die Teilnahme von ungeeigneten Kraftfahrern am Straßenverkehr ergeben.[11] Sollen Nicht-Verkehrsstraftaten den Eignungsausschluss begründen, so ist deshalb im Einzelnen aufzuzeigen und festzustellen, worin das charakterliche Defizit besteht, aus dem Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs folgen könnten.[12]

Im Kern geht es darum, dass zwischen Straftaten, die an sich keinen spezifischen Zusammenhang mit der Verkehrssicherheit aufweisen, aufgrund ihrer Begehungsweise ein Bezug mit der Kraftfahreignung hergestellt werden kann. Denn Inhaber einer FE, die aufgrund des rücksichtslosen Durchsetzens eigener Interessen, aufgrund ihres großen Aggressionspotentials oder ihrer nicht beherrschten Affekte und unkontrollierten Impulse in schwerwiegender Weise die Rechte anderer verletzen, lassen möglicherweise nicht erwarten, dass sie im motorisierten Straßenverkehr die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer – zumindest in den sehr häufig auftretenden Konfliktsituationen – respektieren werden.[13] Allerdings darf das nicht dazu führen, dass bei jeder Straftat – der ja eine Zuwiderhandlung gegen die Gemeinschaftsordnung zugrunde liegt – ein solcher Zusammenhang zur Kraftfahreignung konstruiert wird. Vielmehr muss in der Straftat sowie der Art und Weise der Begehung ein Hang zur rücksichtlosen Verfolgung eigener Interessen erkennbar sein. Das Verkehrsverwaltungsrecht ist Sicherheitsrecht und nicht dazu da, eine weitere Sanktion einzuführen.

 

Rz. 22

Liegt im Rahmen des Wiedererteilungsverfahrens bereits ein verwertbares negatives Gutachten vor und will der Betroffene vor dem Hintergrund der ihn für die Wiedererlangung seiner Fahreignung treffenden Beweislast auf seine Kosten ein Parteigutachten einholen, so hat er zum Zwecke der ordnungsgemäßen Erstellung des Gutachtens einen aus Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) folgenden Anspruch auf Überlassung der bei der Behörde geführten Führerscheinakte an den von ihm beauftragten Gutachter, da nur so auch eine qualifizierte Auseinandersetzung mit dem bereits vorliegenden Gutachten möglich ist ("Grundsatz der Waffengleichheit"). § 44a VwGO steht dem nicht entgegen.[14]

[7] OVG RP, Urt. v. 11.4.2000 – 7 A 11670/99, zfs 2000, 320 = NJW 2000, 2442 = DAR 2000, 377.
[8] OVG RP, Urt. v. 11.4.2000 – 7 A 11670/99, zfs 2000, 320.
[9] OVG RP, Urt. v. 11.4.2000 – 7 A 11670/99, zfs 2000, 320.
[10] OVG RP, Urt. v. 11.4.2000 – 7 A 11670/99, zfs 2000, 320; OVG RP, Beschl. v. 16.3.1994 – 7 B 10161/94, NJW 1994, 2436 = DÖV 1994, 922 = DVBl. 1994, 1207 = NZV 1995, 42 = zfs 1994, 472 – Ls.
[11] OVG RP, Urt. v. 11.4.2000 – 7 A...

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