Rz. 36

Wird der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber an seinem Arbeitsplatz zum Abschluss eines Abwicklungs- oder Aufhebungsvertrags bestimmt und hat der Vertrag eine entgeltliche Leistung, wie z.B. die Zahlung einer Abfindung zum Gegenstand, so stellt sich die Frage, ob dem Arbeitnehmer nach den §§ 312 Abs. 1, 355 BGB ein Widerrufsrecht zusteht. Nach der Rspr. des BAG findet § 312 BGB jedoch auf im Betrieb geschlossene arbeitsvertragliche Aufhebungsverträge keine Anwendung.[45] Nach der Entstehungsgeschichte, der gesetzlichen Systematik sowie nach Sinn und Zweck des § 312 BGB seien derartige Beendigungsvereinbarungen grundsätzlich nicht vom Anwendungsbereich der Norm erfasst. Sie werden nicht in einer für das abzuschließende Rechtsgeschäft atypischen Umgebung abgeschlossen. Das Personalbüro des Arbeitgebers sei vielmehr ein Ort, an dem typischerweise arbeitsrechtliche Fragen vertraglich geregelt werden. Von einer überraschenden Situation aufgrund des Verhandlungsortes, wie sie dem Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften als "besonderer Vertriebsform" zugrunde liegt, könne deshalb keine Rede sein. Das Vorliegen eines Widerrufsrechts wurde vom BAG auch in einer neueren Entscheidung verneint. Der Aufhebungsvertrag wurde in der Wohnung der Arbeitnehmerin während ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit geschlossen. Das BAG hat in seinen Leitsätzen festgehalten, dass ein Aufhebungsvertrag unwirksam ist, wenn er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist.[46]

 

Praxishinweis

Im Falle der Anwendbarkeit von Tarifverträgen ist stets zu prüfen, ob ein tarifvertragliches Widerrufsrecht vom Abwicklungs- bzw. Aufhebungsvertrag besteht.

[45] BAG v. 27.11.2003, AP Nr. 1 zu § 312 BGB = NZA 2004, 597; BAG v. 22.4.2004, AP Nr. 65 zu § 123 BGB = NZA 2004, 1295.
[46] BAG v. 7.2.2019, NZA 2019, 688 – Gebot des fairen Verhandelns.

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