Rz. 88

Außerdem kommt ein Einstehenmüssen des Geschädigten nach § 254 Abs. 2 S. 2 BGB nicht für jedes schadensmitursächliche Verhalten irgendeines Dritten in Betracht, sondern nur für das seines gesetzlichen Vertreters bzw. eines Erfüllungsgehilfen, d.h. einer Person, die der Geschädigte mit der Wahrnehmung seiner im Rahmen der Sonderverbindung bestehenden Pflichten und Gebote seines eigenen Interesses betraut hat.[255]

 

Rz. 89

Juristische Personen und Personengesamtheiten müssen sich das Verschulden ihrer Organe (schon) nach § 31 BGB ohne Entlastungsmöglichkeit zurechnen lassen.[256] Da das Verhalten eines Organs jedoch rechtlich als unmittelbares der juristischen Person selbst zu werten ist, wohingegen es bei einem Erfüllungsgehilfen um die Zurechnung fremden Verschuldens geht, ist insoweit zu beachten, dass ein Vorsatz eines Organs des Geschädigten gegenüber bloßer Fahrlässigkeit des Schädigers in der Regel zu einem Ausschluss der Schadensersatzpflicht führen soll, während der Vorsatz eines Erfüllungsgehilfen den Schadensersatzanspruch lediglich mindere.[257]

 

Rz. 90

Erfüllungsgehilfe im Rahmen des § 254 Abs. 2 S. 2 BGB ist eine Person, die die Pflichten erfüllt, die normalerweise vom Geschädigten selbst zu erfüllen sind.[258] Dazu rechnen mangels entsprechender Pflicht des Geschädigten gegenüber dem Schädiger nicht die Aufgaben, für die sich jedermann eines Sachverständigen bedienen muss bzw. Personen, die der Geschädigte zur Behebung eines konkreten Schadens heranzieht,[259] beispielsweise der behandelnde Arzt[260] oder andere Sachverständige[261] bzw. Fachleute, etwa die Reparaturwerkstatt oder bei anderen technischen Vorgängen. Insoweit kommt allenfalls ein eigenes Verschulden des Geschädigten bei der Auswahl der fachkundigen Personen in Betracht.

 

Rz. 91

Anderes soll hingegen gelten, soweit der Geschädigte – etwa einen Anwalt – gerade mit der Koordinierung bzw. Abwicklung des Schadens beauftragt hat; insoweit soll sich jener dessen Mitverschulden über § 254 Abs. 2 S. 2 BGB anrechnen lassen müssen.[262] Eine nachvollziehbare Rechtfertigung dieser Differenzierung im Hinblick auf § 254 BGB ist indessen nicht ersichtlich.[263]

[255] BGHZ 3, 46; BGHZ 36, 329; BGH, Urt. v. 27.4.2005 – VIII ZR 140/04, NJW-RR 2005, 1426, 1429; Jauernig/Teichmann, BGB, § 254 BGB, Rn 11.
[256] Palandt/Grüneberg, § 254 BGB, Rn 49.
[257] MüKo-BGB/Oetker, § 254 BGB, Rn 136 m.w.N.
[259] Vgl. Palandt/Grüneberg, § 254 BGB, Rn 55.
[260] RGZ 72, 219.
[261] KG, Urt. v. 17.3.2003 – 12 U 97/01, DAR 2003, 318; OLG Köln, Urt. v. 2.6.2010 – 26 U 30/08, VersR 2011, 235.
[262] Vgl. BGH, Urt. v. 20.1.1994 – IX ZR 46/93, NJW 1994, 1211, 1212; BGH, Urt. v. 13.3.1997 – IX ZR 81/96, NJW 1997, 2168, 2170; Palandt/Grüneberg, § 254 BGB, Rn 55.
[263] Ebenso MüKo-BGB/Oetker, § 254 BGB, Rn 142.

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