Rz. 58

§ 1829 Abs. 4 BGB (§ 1904 Abs. 4 BGB a.F.) regelt, dass unter besonderen Voraussetzungen ein Verzicht auf die richterliche Genehmigung möglich ist. Das ist dann der Fall, wenn zwischen dem Betreuer oder dem Bevollmächtigten nach § 1829 Abs. 4 und 5 BGB (§ 1904 Abs. 5 BGB a.F.) und dem behandelnden Arzt des Betroffenen Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung, Nichterteilung oder der Widerruf dem nach § 1828 BGB (§ 1901a BGB a.F.) festgestellten Patientenwillen entspricht.

 

Rz. 59

Gibt es Differenzen mit dem behandelnden Arzt, hat der Bevollmächtigte immer ein betreuungsgerichtliches Genehmigungsverfahren in Gang zu setzen, das nach den §§ 271 ff. FamFG, speziell §§ 271 Nr. 3, 274, 276, 287, 298 FamFG, abläuft. Außerdem hat jeder Betreuer nach § 1861 BGB (§ 1837 BGB a.F.) das Recht, sich vom Betreuungsgericht beraten zu lassen. Die Praxis hält es deshalb für zulässig und geboten, dass man als Betreuer beim Betreuungsgericht ein sog. "Negativattest" einholt, falls man sich nicht sicher ist, ob eine Maßnahme genehmigungspflichtig ist.[87] Was für Betreuer gilt, muss insoweit auch für Bevollmächtigte gelten. Zu beachten ist dabei, dass das Negativattest der Erteilung einer Genehmigung nicht gleichsteht.[88]

 

Rz. 60

Mit einem Negativattest wird bestätigt, dass eine betreuungsgerichtliche Genehmigung zur Umsetzung der getroffenen Entscheidung nicht erforderlich ist. Der Antrag ist nicht nur im Falle des Dissenses zulässig, sondern auch für den Fall des Konsenses. Das Verfahren "vermittelt der Entscheidung des Betreuers damit eine Legitimität, die geeignet ist, den Betreuer subjektiv zu entlasten sowie seine Entscheidung objektiv anderen Beteiligten zu vermitteln, und die ihn vor dem Risiko einer abweichenden strafrechtlichen expost-Beurteilung schützen kann.“[89] Stellt das Gericht das Einvernehmen i.S.d. § 1829 Abs. 4 BGB (§ 1904 Abs. 4 BGB a.F.) fest, hat es den Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung ohne weitere gerichtliche Ermittlungen abzulehnen und ein sogenanntes Negativattest zu erteilen, aus dem sich ergibt, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist. Wenn das Gericht trotz Einvernehmens zunächst einen Anlass für die Ermittlung des Patientenwillens mit den ihm zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten sieht, aber nach der Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1828 BGB (§ 1901a BGB a.F.) festgestellten Willen entspricht, ist entsprechend zu verfahren."

 

Rz. 61

Bei unterschiedlichen Auffassungen oder bei Zweifeln des behandelnden Arztes und des Betreuers über den Behandlungswillen des Betreuten muss das Betreuungsgericht hingegen nach der Kontrolle, ob die Entscheidung des Betreuers über die Nichteinwilligung oder den Widerruf der Einwilligung tatsächlich dem ermittelten Patientenwillen entspricht, eine Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB a.F. (jetzt § 1829 BGB) erteilen oder versagen.[90]

[88] BGH, Urt. v. 30.11.1965 – V ZR 58/63, BGHZ 44, 325 ff. = NJW 1966, 652.

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