Rz. 11

§ 1 II Nr. 3 AVB, der einen Ausschlussgrund in der Person eines Sozius auf alle Sozien erstreckt, ist im Zusammenhang mit § 12 I Satz 1 AVB zu sehen. Ohne die Bestimmung des § 1 II Nr. 3 AVB wäre der Versicherer immer leistungspflichtig. Denn für den Sozius, bei dem kein Ausschluss nach § 4 AVB eingreift, ist der Verstoß des anderen gem. § 12 I AVB auch ein Versicherungsfall, den er ggü. dem Versicherer geltend machen könnte. § 1 II Nr. 3 AVB will deshalb nur verhindern, dass trotz eines Ausschlussgrundes in der Person eines Sozius der andere Sozius gleichwohl Versicherungsschutz beanspruchen kann.[13] Das gilt in gleicher Weise für den Scheinsozius (vgl. Rdn 62).[14]

§ 1 II AVB soll dann nicht anwendbar sein, wenn ein Sozius der Mandant des anderen Sozius ist. In einem solchen Fall träten beide nicht einem Dritten ggü. als Sozien auf.[15] In der Konsequenz würde das bedeuten, dass zwar der Ausschlussgrund nicht zugerechnet würde, andererseits aber auch kein Versicherungsschutz für den geschädigten Sozius bestünde, weil es sich nicht um die Inanspruchnahme durch einen "anderen" (siehe § 1 I Nr. 1 AVB) handelt. Man muss sich fragen, ob das alles insb. vor dem Hintergrund der akzessorischen Haftung bei Mandaten gelten kann, die mit der teilrechtsfähigen GbR geschlossen werden. Der Ausschluss von "Eigenschäden" könnte dann nur noch für den Einzelanwalt gelten, der sich selbst vertritt, nicht aber für den Fall, dass der Sozius als Privatperson ein Mandat seiner Kanzlei überträgt.[16] Besteht in einem solchen Fall Versicherungsschutz für alle Sozien, müsste aber im Gegenzug auch die Zurechnung gem. § 1 II Nr. 3 AVB ohne weiteres zulässig sein.

Der inhaltlich weit gefasste Begriff der "Sozien" in § 1 II AVB deckt sich mit den Tendenzen in der Rechtsprechung, die Rechtsscheinhaftung i.S.d. Verbraucherschutzes auszuweiten, also z.B. gesamtschuldnerische Haftung anzunehmen, wenn der Briefbogenzusatz "in Kanzleigemeinschaft" gewählt wurde.[17] Dies gilt auch für den Zusatz "in Bürogemeinschaft", weil der Rechtsverkehr davon ausgeht, dass an prominenter Stelle auf dem Briefkopf genannte Verbindungen auf berufliche Zusammenarbeit hindeuten.[18] Andererseits ist gesamtschuldnerische Haftung der Sozien nach außen nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 12 AVB; das würde bedeuten, dass man sich vorab über Detailfragen der Sozienhaftung auseinandersetzen müsste, um die Deckung zu klären. Durch eine großzügige Auslegung des § 12 AVB kann das vermieden werden. Das schafft Rechtsklarheit und Sicherheit für den Versicherungsnehmer.[19]

[13] Siehe den Fall OLG Hamm, 13.10.1995 – 20 U 128/95, VersR 1996, 1006 = r + s 1996, 96 m. Anm. Schimikowski, zfs 1996, 346; ohne eine ausdrückliche Zurechnungsklausel wäre die Zurechnung nur bei Repräsentanten möglich, Mitarbeiter einer WEG-Verwalterin treten nicht automatisch in diese Position: LG Wiesbaden, 24.11.2017 – 8 O 88/17, r + s 2018, 136.
[15] Offengelassen in OLG Hamm, 22.9.1995 – 20 U 38/95, VersR 1996, 1006; Diller, § 1 Rn 122, hält das für fraglich.
[16] So jetzt auch Riechert, § 1 Rn 165.
[18] OLG Köln, 17.12.2002 – 22 U 168/02, MDR 2003, 900; Burger, AnwBl. 2004, 304; a.A. Diller, § 1 Rn 106.
[19] Chab, AnwBl. 2012, 274.

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