Rz. 1

Der Begriff der vorweggenommenen Erbfolge ist gesetzlich nicht definiert, wenngleich er etwa in § 593a BGB als Rechtsinstitut vorausgesetzt wird. Im Allgemeinen versteht man unter dieser Bezeichnung die Übertragung von Vermögensgegenständen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden, bei der der Übertragende als künftiger Erblasser bereits in Hinblick auf den späteren Erbfall handelt.[1] Erfasst werden dabei verschiedenste Vermögensübertragungen, angefangen bei "klassischen" Übergabeverträgen in Bezug auf einzelne Immobilien bis hin zu komplexen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen, insbesondere im Bereich der Unternehmensnachfolge. Hintergrund einer solchen lebzeitigen Übertragung von Vermögenswerten sind zumeist der Wunsch des Schenkers oder der Schenkerin,[2] hierdurch spätere Streitigkeiten unter seinen präsumtiven Erben zu vermeiden und – insbesondere – erbschaftsteuerliche Überlegungen.[3] Dass künftige Erblasser diese Möglichkeit haben, zu Lebzeiten bereits etwas als vorgezogenes Erbe zu übertragen, tritt immer mehr in das Bewusstsein der Bevölkerung.[4]

 

Rz. 2

Im Bereich des Erbschaftsteuerrechts wurde der Begriff der vorweggenommenen Erbfolge in der bis zum 20.12.2001 geltenden Fassung des § 13 Abs. 2a S. 1 Nr. 2 ErbStG ebenfalls verwendet und bei Zuwendungen unter Lebenden der Betriebsvermögensfreibetrag nur gewährt, wenn die Übergabe "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" erfolgte. Der BFH hat diesbezüglich in seiner Entscheidung vom 25.1.2001[5] die vorweggenommene Erbfolge als einen Vermögensübergang definiert, der dem Erwerb durch Erbanfall materiell vergleichbar sein müsse. Daran fehle es, wenn der Schenker nicht seine volle Rechtsstellung, sondern nur einen Ausschnitt daraus übertrage (z.B. eine atypisch stille Unterbeteiligung). Die Finanzverwaltung hat auf das Urteil schnell mit einem Nichtanwendungserlass reagiert[6] und das Gesetz zum 20.12.2001 mit Rückwirkung für alle noch offenen Fälle dergestalt geändert, sodass sämtliche Schenkungen unter Lebenden in den Anwendungsbereich des § 13a Abs. 2 ErbStG fallen konnten. Seit der Neufassung der §§ 13a, 13b ErbStG zum 1.1.2009 wird eine Differenzierung bei Schenkungen unter Lebenden nicht mehr vorgenommen. Schenkung- bzw. erbschaftsteuerlich ist dieser Begriff daher nicht mehr relevant.

 

Rz. 3

Eine intelligente Nachfolgeplanung verbindet meistens Elemente der vorweggenommenen mit der letztwilligen Erbfolge. Nur in seltenen Fällen werden Extremlösungen sinnvoll sein, in denen bereits lebzeitig fast das gesamte Vermögen auf die Nachfolger übertragen wird, wie es umgekehrt meistens ebenfalls nicht sinnvoll ist, wenn die gesamte Nachfolge erst mit dem Tod einsetzt.

Gerade im Bereich der Unternehmensnachfolge gibt es eine große Anzahl von Möglichkeiten, den designierten Unternehmensnachfolger bereits zu Lebzeiten des Übergebers an das Unternehmen heranzuführen und somit eine vorweggenommene Erbfolge mit einer letztwilligen Erbfolge zu verbinden. Das klassische Instrument ist die frühzeitige Beteiligung des späteren Nachfolgers am Unternehmen des Übergebers; die Beteiligungsquote kann dann bspw. in Höhe der Freibeträge, d.h. alle zehn Jahre, erhöht werden.

Nur überblicksartig soll diesbezüglich bereits hier erwähnt werden, dass wesentlicher Bestandteil einer gelungenen Gestaltung der vorweggenommenen Erbfolge die Sicherung der Interessen des übertragenden Teils ist. So sollte der Schenker im Schenkungsvertrag durch sog. Rückfallklauseln sicherstellen, dass er den verschenkten Gegenstand bei Eintritt bestimmter Umstände (insb. Vorversterben des Beschenkten, aber auch bei Eintritt eines tiefgreifenden Zerwürfnisses zwischen Beschenktem und Schenker etc.) wieder an sich ziehen kann. Gleichzeitig behält sich bei einer derartigen ganzen oder teilweisen lebzeitigen Übertragung seines Vermögens der Übergeber meistens ein Nutzungsrecht vor, sodass sein Lebensunterhalt aus den Erträgnissen/Nutzungen des Vermögens gesichert ist.

 

Rz. 4

Zur Veranschaulichung der Bandbreite der Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der vorweggenommenen Erbfolge sei als eine weitere Möglichkeit, vorweggenommene und letztwillige Erbfolge zu verbinden, die Gründung einer Familiengesellschaft erwähnt. Bei dieser Konstruktion gründen der Übergeber und seine Nachfolger eine Gesellschaft, in die der Übergeber lebzeitig Teile seines Vermögens einbringt. Später kann er diese Familiengesellschaft auch als seine Erbin benennen.[7] Wenn für die Familiengesellschaft die Rechtsform einer Personengesellschaft gewählt wird, hat dies erbschaftsteuerlich keine nachteiligen Konsequenzen, da aus erbschaftsteuerlicher Sicht Erbe nicht die Gesellschaft sondern die Gesellschafter sind.[8] Handelt es sich hier bspw. um Kinder des Schenkers, so verbleibt es bei der günstigen Steuerklasse I. Durch eine derartige Familiengesellschaft kann erreicht werden, dass das Vermögen der Familie nicht durch Aufteilung entsprechend den verschiedenen Erbquoten im Zuge der Auseinandersetzung verkleinert, sondern durch die Gesel...

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