Rz. 16

Zu beachten ist, dass ein zu Lebzeiten unter Nießbrauchsvorbehalt übertragener Vermögensgegenstand selbst dann im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß § 2325 BGB bei der Berechnung des Pflichtteils eines enterbten Angehörigen zu berücksichtigen ist, wenn zwischen Übergabe und Erbfall mehr als zehn Jahre vergangen sind.[14] Da der Erblasser den verschenkten Gegenstand bei einem vollständig vorbehaltenen Nießbrauch nur formal eigentumsrechtlich, nicht aber tatsächlich spürbar verliert, wird allgemein angenommen, dass hier noch keine Leistung i.S.d. § 2325 Abs. 3 BGB vorliegt. Sofern durch die lebzeitige Übergabe also auch Einfluss auf die Höhe der Pflichtteilsansprüche genommen werden soll oder bereits bekannt ist, dass Pflichtteilsansprüche im Erbfall drohen, ist auf diese Auswirkungen im Rahmen der Beratung dringend hinzuweisen. Der Zuwendende muss sich dann entscheiden, ob er bereit ist, die Sache bereits lebzeitig vollständig aus der Hand zu geben, oder ob er den Pflichtteilsergänzungsanspruch in Kauf nimmt.[15] Je nach Einzelfall könnte eine zeitliche Begrenzung des Nießbrauchs einen Kompromiss darstellen. Die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB beginnt dann mit der Beendigung des Nießbrauchs durch Zeitablauf bzw. Bedingungseintritt, da der Schenker den Schenkungsgegenstand in diesem Zeitpunkt tatsächlich spürbar verliert.

[14] Vgl. hierzu Grziwotz, MittBayNot 2019, 96; Grüneberg/Weidlich, § 2325 BGB Rn 26.
[15] Eine Umgehung des § 2325 BGB kann auch nicht durch die Vereinbarung eines dinglichen Wohnrechts anstelle eines Nießbrauchs erreicht werden, vgl. hierzu Rdn 33.

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