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Beim Vorbehaltsnießbrauch an Personengesellschaften mit betrieblichen Einkünften (sog. Mitunternehmerschaften) hängt die ertragsteuerliche Beurteilung auch davon ab, ob der Nießbraucher, der Übernehmer oder beide ertragsteuerlich als Mitunternehmer anzusehen sind. Insbesondere für die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG ist Voraussetzung, dass der Erwerber Mitunternehmer wird. Nach der einige Zeit lang h.M. war der Gesellschafter (Übernehmer) in der Regel zumindest auch als Mitunternehmer anzusehen, da eine doppelte Mitunternehmerschaft durch Nießbraucher und Gesellschafter anerkannt wurde.[27] Seit einiger Zeit herrscht jedoch Unsicherheit, ob der BFH an seiner ursprünglichen Anerkennung der doppelten Mitunternehmerschaft festhält, da der BFH[28] bereits in zwei Fällen im Wege eines obiter dictum angedeutet hat, das nur eine Mitunternehmerstellung an einem Gesellschaftsanteil bestehen könne.[29] Der Nießbraucher (Übergeber) ist dann Mitunternehmer, wenn er aufgrund der getroffenen Abreden eine Stellung erlangt, die dem Typusbegriff des Mitunternehmers entspricht, d.h. über Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko verfügt.[30] Der Gesellschafter (Übernehmer) erwirbt demnach keine Mitunternehmerstellung, wenn ihm aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Nießbrauchs lediglich noch Einsichts- und Kontrollrechte verbleiben oder wenn zusätzlich eine treuhänderische Rechtsübertragung vereinbart wird.[31] Nach der bis kürzlich vorherrschenden Meinung, wurde die Mitunternehmerinitiative des Gesellschafters selbst dann bejaht, wenn eine widerrufliche Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts zugunsten des Nießbrauchers erteilt wurde und dem Nießbraucher ein Widerrufsrecht der Schenkung im Falle des Widerrufs der Vollmacht zustand.[32] Ist der Nießbraucher Mitunternehmer, hat er den ihm zustehenden Gewinnanteil (entnahmefähiger Teil am festgestellten Gewinn) zu versteuern. Der restliche Teil des Steuerbilanz-Gewinnanteils ist dem Gesellschafter als weiterem Mitunternehmer zuzurechnen.[33] Ist der Nießbraucher hingegen als alleiniger Mitunternehmer anzusehen, liegt aus ertragsteuerlicher Sicht bereits keine Übertragung des Betriebes vor. Dem Nießbraucher werden in diesem Fall sämtliche Einkünfte, die mit dem Anteil zusammenhängen, zugerechnet.

[27] BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92 – BStBl II 1995, 241, 245; Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn 309 ff.
[29] Vgl. dazu ausführlich Stein, ZEV 2019, 131; und zu möglichen Lösungsansätzen der Literatur vgl. Stein, ZEV 2021, 1679.
[33] Vgl. Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn 307; BFH, 10.12.2008 – II R 34/07, DStR 2009, 321; Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon/Maier, Buchstabe N Nießbrauch Rn 46.

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