Rz. 68

Das Erbschaftsteuerrecht benachteiligt die Inhaber von Anteilen an Kapitalgesellschaften mit einer Beteiligung von 25 % oder weniger gegenüber Gesellschaftern von Personengesellschaften. Es besteht allerdings gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG die Möglichkeit in den Genuss der steuerlichen Verschonungsregeln zu gelangen, wenn der Gesellschafter unter Hinzurechnung weiterer Beteiligungen auf eine Beteiligungsquote von mehr als 25 % kommt. Eine solche Hinzurechnung soll nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG erfolgen, wenn der Erblasser oder Schenker und die weiteren Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder ausschließlich auf andere, derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und ihr Stimmrecht gegenüber nicht verbundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben. Diese etwas unklare Regelung, die zur Privilegierung von Familien-Kapitalgesellschaften aufgenommen wurden, ist inzwischen durch Verwaltungserlasse sowie durch die Entscheidung des BFH v. 20.2.2019[115] konkretisiert worden.

 

Rz. 69

Die Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 (ErbStR 2019) schaffen in weiten, aber nicht in allen rechtlichen Punkten Rechtsicherheit. Das Gebot der "einheitlichen Verfügung" verlangt nach der Finanzverwaltung nicht, dass alle Poolmitglieder gleichzeitig im gleichen Umfang und gleicher Weise über ihre Anteile verfügen müssen. Nach R E 13b. 6 Abs. 4 ErbStR 2019 ist es ausreichend, wenn nach der Poolvereinbarung für die Verfügungen poolgebundende Anteile und gleiche Regelungen für alle Poolmitglieder gelten. Dies liege insbesondere dann vor, wenn die Anteile zustimmungsfrei nur an einen bestimmten Personenkreis übertragen werden dürfen (z.B. nahe Angehörige) und darüber hinaus die Übertragung der "Zustimmung der Mehrheit der Poolmitglieder" bedarf. Hierbei ist allerdings unklar, ob die Formulierung "Mehrheit der Poolmitglieder" als Mehrheit nach Köpfen zu verstehen ist oder die Kapitalmehrheit gemeint ist.[116] Nach der Rechtsprechung des BFH genügt es den Anforderungen des § 13b Abs. 2 Nr. 2 S. 2 ErbStG wenn sich die erforderliche Verpflichtung der Gesellschafter zur einheitlichen Verfügung über die Anteile und zur einheitlichen Stimmrechtsausübung aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben.[117] Ebenso sind die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Nr. 2 S. 2 ErbStG erfüllt, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Vinkulierungsklausel enthält und die Gesellschafter zusätzlich mündlich oder schriftlich die einheitliche Stimmrechtsausübung vereinbart haben. Für die Vereinbarung der einheitlichen Stimmrechtsausübung besteht gerade kein Formerfordernis.[118]

 

Rz. 70

Im Zweifelsfall kann vor lebzeitiger Übertragung von poolgebundenen Anteilen eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO eingeholt werden. In jedem Fall ist aber dringend darauf zu achten, dass die Poolvereinbarung (die in der Regel als Vertrag über die Eingehung einer Innengesellschaft bürgerlichen Recht ohne eigenes Gesamthandsvermögen zu verstehen ist[119]) klarstellt, dass die von den einzelnen Poolmitgliedern gehaltenen Anteile nicht in eine neu geschaffene GbR eingebracht werden. In § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG ist – wenn auch ohne erkennbaren Grund – klargestellt, dass der Erblasser oder Schenker an der Kapitalgesellschaft unmittelbar beteiligt gewesen sein muss. Durch die Einbringung in die GbR ("dingliche Poolung") würde aber eine lediglich mittelbare Beteiligung entstehen, die nach dem derzeitigen Stand von Gesetz und Erlass der Finanzverwaltung zu einem vollständigen Verlust der Privilegierung der §§ 13a, 13b ErbStG führt.[120]

[116] Vgl. Geck, DNotZ 2019, 805, 821.
[118] Zu möglichen Gestaltungen des Stimmrechtskonsortiums und Fragen zur Abstimmung vgl. Mylich, RFamU 2022, 10.
[119] Zur Rechtsnatur vgl. näher Hell, NJW-Spezial 2020, 143.
[120] H E 10.4 ErbStR 2019.

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