Rz. 198

Nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG gilt das neue Recht uneingeschränkt für alle Versicherungsverträge, die ab dem 1.1.2008 geschlossen worden sind (sog. Neuverträge). Verträge, die vor dem 1.1.2008 zustande gekommen sind (Altverträge) unterliegen dem neuen Recht erst ab dem 1.1.2009.

 

Rz. 199

Gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 VVG-Reformgesetz trat gleichzeitig mit Inkrafttreten des neuen VVG das VVG alte Fassung außer Kraft, so dass vom Grundsatz her ab dem 1.1.2008 neues VVG auch für Altverträge galt. Das bisherige Recht gilt allerdings für alle Versicherungsfälle, die bis zum 31.12.2008 eingetreten sind, bis zu deren vollständiger Abwicklung, ggf. also über den 1.1.2009, hinaus.

 

Rz. 200

Grundsätzlich können zudem solche Vorschriften des neuen VVG insoweit keine Anwendung auf Altverträge finden, die beim Abschluss des Vertrages zu beachten sind, da die Regelungsinhalte nachträglich nicht mehr berücksichtigt werden können. In diesen Fällen verbleibt es stattdessen bei den Maßgaben der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Vorschriften. Relevant wird dies insbesondere in Bezug auf die Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen bei Altverträgen eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung vorliegt, so dass insoweit die Regelungen der §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 1 VVG a.F. weiterhin anzuwenden sind, nicht aber hinsichtlich der Rechtsfolgen, die sich nach neuem VVG richten, wenn die auf die vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung gestützte gestaltende Erklärung des Versicherers unter der Geltung des neuen VVG erklärt wurde, mithin bei Altverträgen ab dem 1.1.2009.

 

Rz. 201

Zudem sieht Art. 1 Abs. 1 EGVVG für Altverträge die grundsätzliche Fortgeltung des VVG a.F. in einer Übergangszeit vom 1.1.–31.12.2008 vor. Diese Übergangsfrist sollte den Versicherern ermöglichen, bestehende AVB über Art. 1 Abs. 3 EGVVG in das neue Recht anzupassen und die notwendigen betriebsorganisatorischen Änderungen vorzunehmen.

 

Rz. 202

Mit Ablauf der Übergangszeit, also zum 1.1.2009, ist das neue VVG auch auf Altverträge anzuwenden, außer es ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 EGVVG und Art. 26 EGVVG etwas anderes. Im Hinblick auf die Krankenversicherung ist insoweit insbesondere Art. 2 Nr. 2 EGVVG relevant, der folgende Sonderregelung enthält:

Zitat

"Auf Altverträge sind die folgenden Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes bereits ab 1.1.2008 anzuwenden:"

1.
2. … die §§ 192–208 für die Krankenversicherung, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer die aufgrund dieser Vorschriften geänderten Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Tarifbestimmungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spätestens einen Monat vor dem Zeitpunkt in Textform mitgeteilt hat, zu dem die Änderungen wirksam werden sollen …“
 

Rz. 203

Dieses besondere Anpassungsrecht bezieht sich jedoch ausschließlich auf die §§ 192–200 VVG. Bezüglich aller anderen Neuregelungen, die für das Krankenversicherungsrecht bedeutsam sind, insbesondere der Vorschriften des Allgemeinen Teils, bleibt es bei der Grundregel des Art. 1 Nr. 3 EGVVG. Eine Bedingungsanpassung war insoweit erst zum 1.1.2009 möglich.

 

Rz. 204

Von grundsätzlicher Bedeutung, gerade auch in der Krankenversicherung, ist der in Art. 1 Abs. 2 EGVVG geregelte Ausnahmefall, wonach bei Vorliegen eines Altvertrages bei einem bis zum 31.12.2008 eingetretenen Versicherungsfall "insoweit" das VVG a.F. weiter anwendbar ist.

Festzustellen ist daher bei Sachverhalten mit Altverträgen immer zunächst der Zeitpunkt des Versicherungsfalles, der, falls er streitig ist, von demjenigen zu beweisen ist, für den der Eintritt zu einem bestimmten Zeitpunkt günstig ist.

 

Rz. 205

In der Krankenversicherung kann es im Rahmen eines gedehnten Versicherungsfalles mehrfach zu Obliegenheitsverletzungen kommen, die auch in zeitlicher Hinsicht erheblich auseinander fallen können. Solche Obliegenheitsverletzungen nach Eintritt des Versicherungsfalles sind in § 9 Abs. 1–4 MB/KK bzw. MB/KT vorgesehen.

 

Rz. 206

Für Altverträge bleibt es bei einem Eintritt des Versicherungsfalles bis zum 31.12.2008 für die Beurteilung solcher Obliegenheitsverletzungen stets bei § 6 VVG a.F. und bei einem Eintritt des Versicherungsfalles ab 1.1.2009 immer bei § 28 VVG und zwar unabhängig davon, wann die Obliegenheitsverletzung selbst begangen wurde. Der Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 EGVVG lässt eine andere Auslegung nicht zu.

 

Rz. 207

Relevanz in Bezug auf das Obliegenheitsrecht kommt daher allein dem Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles zu, nach dem sich dann richtet, ob die Vorsatzvermutung nach § 6 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 1 VVG a.F. greift oder aber den Versicherer die Beweislast für den Vorsatz gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG trifft. Grobe Fahrlässigkeit führt dann entweder zur Leistungsfreiheit gem. § 6 Abs. 3 S. 1 VVG a.F. oder nur zur Leistungskürzung gem. § 28 Abs. 2 S. 2 VVG. Der Kausalitätsgegenbeweis ist gem. § 6 Abs. 3 S. 2 VVG a.F. nicht eröffnet, demgegenüber gem. § 28 Abs. 3 S. 1 VVG möglich.

Im Hinblick auf die aufgezeigten erheblichen Unterschie...

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