Rz. 216

Der Arztvertrag ist nach herrschender Auffassung Dienstvertrag gem. §§ 611 f. BGB. § 612 BGB bestimmt, dass für die Höhe des Vergütungsanspruchs beim Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung zugrunde zu legen ist; als solche sind die GOÄ und die GOZ anzusehen. Sie dienen als Abrechnungsgrundlage für die Vergütung privatärztlicher Leistungen (§ 1 GOÄ/GOZ) und sind, da Rechtsverordnung des Bundes, als gesetzliche Vorschrift zu qualifizieren.

 

Rz. 217

Nach § 1 Abs. 2 GOÄ bzw. GOZ darf der Arzt Vergütungen nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind. Leistungen, die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind.

 

Rz. 218

In allen Fällen, in denen Zweifel an der gebührenrechtlichen Abrechnung oder der Erbringung einer medizinisch notwendigen Behandlung zumindest im Raum stehen, sollte in prozessrechtlicher Hinsicht überlegt werden, gegen wen die Ansprüche überhaupt geltend gemacht werden sollen und ob im gerichtlichen Verfahren eine Streitverkündung empfehlenswert ist. Denn bei der GOÄ/GOZ handelt es sich um für alle Ärzte geltendes zwingendes Preisrecht,[119] so dass der Vergütungsanspruch gerade davon abhängt, ob Abrechenbarkeit im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1 GOÄ bzw. GOZ gegeben ist. Ist dies nicht der Fall, können auch bereits geleistete Vergütungen gemäß § 812 BGB kondiziert werden.

 

Rz. 219

Ein Arzt, der weiß, dass der Krankheitskostenversicherer seines Patienten bereits vor der Behandlung Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung geäußert hat, verletzt zudem seine Vertragspflicht, wenn er seinen Patienten behandelt, ohne ihn vor Beginn der Behandlung auf die Bedenken des Versicherers und das sich daraus ergebende Kostenrisiko hinzuweisen (wirtschaftliche Aufklärungspflicht) oder wenn er die Behandlung nicht ausreichend dokumentiert, so dass sich der Nachweis ihrer medizinischen Notwendigkeit anhand der Krankenunterlagen nicht führen lässt (Dokumentationspflicht). Er ist grundsätzlich zum Nachweis u.a. der medizinischen Notwendigkeit und sachgerechten Behandlung zur Aufzeichnung der in Ausübung seines Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen verpflichtet.[120]

 

Rz. 220

Verletzt ein Arzt die wirtschaftliche Aufklärungspflicht (bei Zweifeln bezüglich der Kostenerstattung durch den Versicherer) oder die Dokumentationspflicht (fehlende Nachweismöglichkeit der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung), so steht dem Patienten gegen den Arzt ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB zu, der auf Befreiung von der Honorarforderung gerichtet ist.

Steht einem Versicherungsnehmer gegen den Arzt ein Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung aus § 280 BGB zu, der auf Befreiung von der Honorarforderung gerichtet ist, so ist der Krankheitskostenversicherer zu einem Ersatz der Honorarforderung nicht verpflichtet.[121]

 

Rz. 221

Der Zahnarzt, der seinem Patienten eine bestimmte Behandlung vorschlägt, muss dann, wenn er begründete Zweifel an der Erstattungsbereitschaft des privaten Krankenversicherers betreffend diese Kosten haben muss, den Patienten hierauf hinweisen und ihn selbst entscheiden lassen, ob er das Risiko eingehen will, die Behandlung ganz oder teilweise aus eigenen Mitteln zu zahlen. Eine Pflichtverletzung des Zahnarztes ist jedoch nur insoweit bedeutsam, als sie auch einen entsprechenden Schaden verursacht hat. Dies ist bei denjenigen Behandlungsmaßnahmen nicht der Fall, die der Versicherer in jedem Fall zu erstatten hat. Die Hinweispflicht setzt allerdings voraus, dass auch ein rechtlich nicht erfahrener Zahnarzt die erheblichen Zweifel an der Erstattung durch den Versicherer erkennen kann.[122]

 

Rz. 222

Der Aufwendungsersatzanspruch gegen den Versicherer scheitert auch dann, wenn die Abrechnung des Arztes/Zahnarztes nicht der GOÄ/GOZ entspricht. Der Patient schuldet dem Arzt dann keine Vergütung und kann bei erfolgter Zahlung gegenüber dem Arzt zu Unrecht berechnete Kosten kondizieren. Dies kommt auch dann in Betracht, wenn die zugrunde liegende Behandlung nicht medizinisch notwendig war.[123]

 

Rz. 223

§ 4 Abs. 2 GOÄ/GOZ sieht vor, dass der Arzt/Zahnarzt Gebühren lediglich berechnen darf für selbstständige ärztliche Leistungen, nicht für Vorbereitungs-, Hilfs- und Begleitleistungen. Ferner ist der Arzt – und zwar der niedergelassene Arzt sowie der Chefarzt einer Klinik – zur persönlichen Leistungserbringung gem. § 4 Abs. 2 GOÄ/GOZ verpflichtet. Dem steht nicht entgegen, dass einzelne Leistungen auch durch Dritte erbracht werden können, was in § 4 GOÄ/GOZ festgelegt ist. Dies setzt voraus, dass der Arzt jeweils die grundlegende Entscheidung über die notwendigen Eingriffe und die Therapie der Erkrankung selbst vornimmt.[124] Einzelheiten hierzu sind in § 4 Abs. 2 GÖA geregelt, insbesondere die Frage, wann ein Arzt auch Laborleistungen als eigene Leistungen...

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