Kostenrisiko beim Alarmieren eines Rettungswagens

Welche Rechtsfolgen können beim Anfordern des Rettungswagens entstehen? Betroffene haben oft Bedenken, den Notruf zu wählen, wenn es ihnen schlecht geht. Ist es ein (nahender) Herzinfarkt oder Schlaganfall, wäre es sinnvoll, was aber, wenn sich das Unwohlsein als schlichte Verdauungsstörung erweist? Wie hoch ist das Risiko, die Kosten des Rettungseinsatzes zu tragen?

Der Krankenwagen ist manchmal die einzige Möglichkeit, rechtzeitig medizinisch versorgt zu werden. Doch welches Kostenrisiken trägt der Patient, der in der Regel kein medizinischer Experte ist, wenn der Rettungswagen von ihm oder seinen Angehörigen (vielleicht übereifrig) gerufen wurde?

Rechtlich wird ein Behandlungs- und Transportvertrag eingegangen

Wird ein Rettungswagen zu Hilfe gerufen, ist die primäre Leistungspflicht der Gerufenen

  • die Herstellung der Transportfähigkeit des Patienten,
  • der schnellstmögliche Transport
  • in ein geeignetes Krankenhaus sowie
  • die Betreuung des Patienten während der Fahrt.

In vielen Fällen ruft der Patient den Rettungsdienst selbst, so dass bei dessen Eintreffen der Vertrag stillschweigend (konkludent) geschlossen wird. Ist der Patient nicht in der Lage, selbst Hilfe herbeizurufen, greifen die Regeln über die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA, §§ 677 ff. BGB). Hierbei ist der hypothetische Wille des Patienten maßgeblich.

Krankenwagentransport: Voraussetzungen der Kostenerstattung

Doch wer zahlt für die erbrachten Rettungseinsatz-Leistung? Kommt es wegen eines Notfalls zum Krankenwageneinsatz werden die Kosten von der Krankenversicherung des Betroffenen übernommen, wenn eine ärztliche Notwendigkeit vorliegt.

  • Diese wird ihm attestiert, indem entweder der Notarzt oder der behandelnde Arzt eine Bescheinigung ausschreibt, in der steht, dass der Rettungsdiensteinsatz gesundheitlich notwendig war.
  • Der Patient muss gegenüber der Krankenversicherung u.U. eine Zuzahlung in Höhe von bis zu 10 Euro zu den Fahrtkosten leisten.

Ist es wirklich "schlimm genug" für das Anfordern eines Rettungswagens?

Hat der Patient oder haben seine Angehörige Zweifel, kann derjenige, der unter 112 abnimmt, die Entscheidung treffen oder beraten, was notwendig ist. Denn im Zweifel hat er mehr Erfahrung und kann den Ernst der gesundheitlichen Lage besser beurteilen.

  • Wer sich allerdings entgegen der Meinung des angerufenen 112-lers ernstlich in Not fühlt,
  • sich etwa aus fachlichen oder persönlichen Erfahrungsgründen besser auskennt
  • oder schlicht eine andere Vorstellung vom Ernst der Lage hat,

sollte sich nicht abwimmeln lassen und notfalls lieber ein paar 100 EUR riskieren - als seine Gesundheit.

Wenn die Gefahr schnell wieder vorüber ist - Probleme mit Leerfahrten

Kostentechnisch ungünstig, wenn auch menschlich erfreulich, ist es, wenn die Gesundheitsgefahr schon abgeklungen ist, wenn der Krankenwagen kommt. Etwa bei einem Epileptiker, dessen Anfall vorbei ist und der den Transport ins Krankenhaus nicht mehr benötigt.

  • Dann droht u. U. eine Problem mit der Kostenübernahme.
  • Auf der auch kostentechnisch sicheren Seite sind diejenigen, die sich nach einem Notarzt-Einsatz sicherheitshalber ins Krankenhaus bringen lassen,

zeitlich kann es allerdings aufwändig werden.

Verzicht auf Rettungstransport: keine Kostenerstattung

Verzichtet der Patient lieber darauf, mit dem Rettungswagen zur Klinik gefahren zu werden, hat er oft keinen Anspruch gegenüber seiner gesetzliche Krankenkasse auf Erstattung der entstandenen Gebühren. Dies geht aus einem Urteil des Bundessozialgericht hervor (BSG, Urteil v. 6.11.2008, 1 KR 38/07 R):

  • In diesem Fall wurde der Rettungsdienst alarmiert, weil der Verdacht eines Herzinfarkts bei der Patientin bestand.
  • Der herbeigerufene Notarzt ordnete die Unterbringung in ein Krankenhaus an.
  • Dies lehnte die Klägerin ab, da sie zu Hause ihre Kinder zu versorgen hatte.

In den Vorinstanzen wurde die beklagte Krankenversicherung zur Erstattung verurteilt. Anders sah es das Bundessozialgericht: Die Einsatzfahrt ohne den Versicherten gehöre nicht zum Leistungskatalog der Versicherungen. Lediglich die Kosten für die Fahrt des Notarztes als auch für dessen Tätigkeit seien zu übernehmen. Fazit: Schon aus Kostengründen, wenn nicht schon zwecks medizinischer Sicherheit, macht es oft Sinn, den Transport, wenn der Arzt oder Sanitäter ihn befürwortet, auch in Anspruch zu nehmen.

Notruf in der Schule

Wird ein Rettungseinsatz in Schule, Hort oder Kindergarten nötig, sind die Kosten durch die gesetzliche Unfallversicherung und die Berufsgenossenschaft abgedeckt. Der Schüler, die Eltern bzw. Schule und Lehrer erhalten keine Rechnung.

Verbreiteter Notruf-Missbrauch?

Es gibt allerdings auch Schätzungen, wonach ca. ein Drittel aller Notrufe, die über die Nummer 112 eingehen, keine echten Notfälle seien, sondern Patienten den Rettungsdienst dabei ohne triftigen Grund nutzen, um schneller behandelt zu werden oder einfacher in die Klinik zu kommen. Wie belastbar diese Schätzungen sind, ist schwer zu sagen.

Auch ein gesteigertes Anspruchsdenken führt nach Angaben von Rettungsleitstellenleitungen dazu, dass mitunter Menschen den Rettungs­wagen rufen und mit gepackten Koffern warten, um ins Krankenhaus gebracht zu werden, weil ihnen ein Taxi zu teuer erscheint.

Notrufmissbrauch ist strafbar

Liegt aber ganz offensichtlich kein Notfall vor, droht nicht nur das "Sitzenbleiben" auf den Kosten, ein solches Verhalten ist sogar gem. § 145 Abs. 1 Ziff. 1 StGB strafbar, denn nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich Notrufe oder Notzeichen missbraucht, zu denen neben Sirenen und Notbremsen etc. auch Notrufe wie 112 gehören. Ein Augsburger, der die Feuerwehr zwecks Türöffnung mit dem Argument köderte, es könne möglicherweise noch Essen auf dem Herd stehen, wurde Mitte 2021 etwa wegen Missbrauchs des Notrufes  zu einer Geldstrafe von 6.000 EUR (150 Tagessätzen zu je 40 EUR) verurteilt.

Wenn der Einsatz zu Unrecht abgelehnt wird

Wegen der Fülle der Anrufe ist allerdings auch die umgekehrte Variante möglich, dass der Einsatz von der Leitstelle im Telefongespräch zwischen Rettungsleitstelle und demjenigen, der einen Rettungswagen anfordert, abgelehnt wird und er etwa auf den Hausarztbereitschaftsdienst verwiesen wird.

Das kann, besonders wenn es sich um eine lebensbedrohliche Situation handelt, gemäß § 323c StGB strafbar sein als unterlassene Hilfeleistung bei Vorliegen eines medizinischen Notfalles. Dann besteht für Ärzte und Sanitäter eine allgemeinen Hilfspflicht zur Notfallbehandlung.

Eine drastische Variante, um den Einsatz des Rettungswagens zu beschleunigen, wählte im Oktober 2021 ein Neffe, dessen Onkel Rückenschmerzen hatte. Nachdem sie eine Stunde vergeblich auf den Krankenwagen warteten, rief der Neffe erneut beim Notruf an und gestand, seinen Onkel erstochen zu haben. Nun kamen Polizei und Rettungswagen zügig, allerdings musste sich der Neffe wegen Vortäuschens einer Straftat verantworten.

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Für jedermann besteht grundsätzlich die Pflicht, bei Unglücksfällen Hilfe zu leisten, soweit sie erforderlich und dem Einzelnen zuzumuten ist. Grundgedanke ist hierbei die Wahrung der gesellschaftliche Solidarität bei Notfällen. Erfolgt diese Ersthilfe nicht, kann dies sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Konsequenzen haben. Strafrechtlich droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Doch in der Praxis sind Verurteilungen wegen unterlassener Hilfeleistung selten. Bestraft wird gem. § 323 c StGB

  • wer bei einem Unglücksfall oder einer gemeinen Gefahr oder Not
  • nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich
  • und ihm nach den Umständen ohne erhebliche eigene Gefahr zumutbar ist,
  • ohne anderer wichtige Pflichten zu verletzen.
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