Rz. 491

Gemäß § 4 Abs. 6 S. 1 MB/KK leistet der Versicherer im vertraglichen Umfang für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind.

 

Rz. 492

Nach § 4 Abs. 6 S. 2 Hs. 1 MB/KK leistet der Versicherer für Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend wie die der Schulmedizin bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen. Bei ebenso erfolgversprechenden Methoden bzw. Arzneimitteln besteht gemäß § 4 Abs. 6 S. 2 Hs. 2 MB/KK ein Kürzungsrecht auf die Kosten der schulmedizinischen Methode/Arzneimittel.

Diese Vorschrift und die Beurteilung der Gleichwertigkeit werfen für den Versicherungsnehmer erhebliche Probleme auf.

 

Rz. 493

Das OLG München[315] hat im Anschluss an den BGH[316] instruktiv die Grundsätze zum Behandlungsmaßstab bei unheilbaren Erkrankungen wie folgt zusammen gefasst:

Zitat

Bei unheilbaren Erkrankungen, für die es selbst für eine auf Verhinderung einer Verschlimmerung der Krankheit abzielende Heilbehandlung keine in der Praxis angewandte Behandlungsmethode gibt, bei der nach medizinischen Erkenntnissen davon ausgegangen werden kann, dass sie zur Herbeiführung wenigstens dieses Behandlungszieles geeignet ist, kommt jeder gleichwohl durchgeführten Behandlung zwangsläufig Versuchscharakter zu, für die der Nachweis medizinischer "Richtigkeit" nicht geführt werden kann. Aufgrund dessen kann nicht darauf abgestellt werden, ob die Behandlung zur Erreichung des vorgegebenen Behandlungsziels tatsächlich geeignet ist. Vielmehr ist in solchen Fällen die objektive Vertretbarkeit der Behandlung bereits dann zu bejahen, wenn die Behandlung nach medizinischen Erkenntnissen im Zeitpunkt ihrer Vornahme als wahrscheinlich geeignet angesehen werden konnte, auf eine Verhinderung der Verschlimmerung der Erkrankung oder zumindest auf ihre Verlangsamung hinzuwirken.

Dabei ist jedenfalls bei schweren, lebensbedrohenden oder lebenszerstörenden Erkrankungen nicht zu fordern, dass der Behandlungserfolg näher liegt als sein Ausbleiben. Es reicht vielmehr aus, wenn die Behandlung mit nicht nur ganz geringer Erfolgsaussicht die Erreichung des Behandlungsziels als möglich erscheinen lässt. Ob im Einzelfall eine in diesem Sinne ausreichende Wahrscheinlichkeit der Eignung der Behandlungsmethode zur Erreichung des Behandlungsziels angenommen werden kann, ist – selbst bei positiver Einschätzung des behandelnden Arztes – objektiv zu beurteilen. Die für diese Beurteilung maßgeblichen medizinischen Gesichtspunkte können nur im Einzelfall und mit Rücksicht auf die Besonderheiten der Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden. Im Streitfall wird es demgemäß regelmäßig erforderlich sein, die Einschätzung des behandelnden Arztes der sachverständigen Nachprüfung zu unterziehen. Das setzt aber voraus, dass die gewählte Behandlungsmethode auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruht, der die prognostizierte Wirkweise der Behandlung auf das angestrebte Behandlungsziel zu erklären vermag, diese Wirkweise sonach zumindest wahrscheinlich macht.

Der Annahme einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung steht auch nicht entgegen, dass eine Behandlungsmethode noch nicht in der wissenschaftlichen Literatur nach wissenschaftlichem Standard dokumentiert und bewertet worden ist. Liegen solche Veröffentlichungen vor, können sie zwar für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung von Bedeutung sein; andererseits kann die Verneinung der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung nicht auf das bisherige Fehlen einer Veröffentlichung gestützt werden.

[315] OLG München v. 30.8.2013 – 25 U 2711/10, veröffentlicht bei juris.

a) Gleichwertigkeit

 

Rz. 494

Das in dieser Vorschrift definierte sog. Gleichwertigkeitserfordernis wird aufgrund des Interesses des Versicherers, nur solche Behandlungsmethoden zu finanzieren, die – im Ergebnis – der Schulmedizin entsprechen, überwiegend als berechtigt ansehen.[317] In der Praxis erweist sich das Gleichwertigkeitserfordernis als nicht unproblematisch, da die Frage der Gleichwertigkeit von Methoden der Schulmedizin und solchen Methoden, die ebenso erfolgversprechend sind, nicht einfach zu beantworten ist. Dadurch ist der Versicherungsnehmer – soll er diese Frage beweisen und das Risiko eines Prozesses selbst bewerten – häufig gegenüber dem Versicherer überfordert.

 

Rz. 495

Die Frage der Gleichwertigkeit verschiedener medizinischer Behandlungsmethoden, einerseits die Methode der Schulmedizin und andererseits solche der alternativen Medizin, lässt sich generell und nicht nur im Einzelfall sehr schwer klären. Der Versicherungsnehmer ist gerade in diesen Fällen über die einzelnen Erfolgsaussichten der Behandlungen oder Arzneimittel, über ihre Wirksamkeit, über ihre Nebenwirkungen sehr wenig informiert und kann sich eine einigermaßen fundierte Überzeugu...

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