Rz. 904

Der Widerrufsvorbehalt gibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, sich in der Zukunft unter erleichterten Voraussetzungen von der zugesagten Leistung zu lösen. Vom Widerrufsvorbehalt ist der Rücktrittsvorbehalt zu unterscheiden oder aber der Vorbehalt, dass die Wirksamkeit eines Vertrages von der Genehmigung durch einen Dritten abhängt.

 

Rz. 905

Bei der Feststellung der Wirksamkeit der Widerrufsvorbehalte findet eine zweistufige Prüfung statt. In einem ersten Schritt ist die Vereinbarung des Widerrufsvorbehaltes Gegenstand der Inhaltskontrolle, in einem zweiten die konkrete Ausübung des Widerrufes (BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, BB 2005, 833).

 

Rz. 906

Bei der Wirksamkeitskontrolle der Widerrufsvorbehaltsklausel ist von Folgendem auszugehen: Der Prüfungsmaßstab ist anhand der §§ 307 Abs. 1, Abs. 2, 308 Nr. 4 BGB zu entwickeln (BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04; BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14; Bergwitz, AuR 2005, 2010, 2012; Kort, NZA 2005, 509, 510; Reinecke, NZA 2005, 953, 956). Dabei verlangt das BAG, dass der Widerruf nicht grundlos erfolgt, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein muss (BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, BB 2005, 833, 834; BAG v. 11.10.2006, BB 2007, 109, 112). Der Verwender muss vorgeben, was ihn zum Widerruf berechtigen soll (z.B. wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers). In materieller Hinsicht muss die gebotene Interessenabwägung zu einer Zumutbarkeit der Klausel für den Arbeitnehmer führen. Das Wirtschaftsrisiko darf nicht auf den Arbeitnehmer verlagert werden (BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14). Ob ein solcher Grund besteht, soll nach einer Interessenabwägung festgestellt werden. Der Widerrufsgrund muss danach den Widerruf insb. unter Berücksichtigung von Art und Höhe der zu widerrufenden Leistung, des verbleibenden Verdienstes und der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen typischerweise rechtfertigen (BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, BB 2005, 833, 834). Sollten diese Voraussetzungen gegeben sein, so ist des Weiteren zu prüfen, ob nicht ein unerlaubter Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsvertrages vorliegt. Dies sind die zwei Schritte der materiellen Inhaltskontrolle durch die Rspr. bei einem Widerrufsvorbehalt. In Betracht können wirtschaftliche Gründe, die Leistungen des Arbeitnehmers oder das Verhalten des Arbeitnehmers kommen. Dies bedeutet zugleich, dass bei im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Leistungen keine Widerrufsgründe zu verlangen sind, die ebenfalls eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen könnten (dafür Preis/Lindemann, AuR 2005, 229, 231). Dies würde eine Einebnung des Unterschiedes zwischen der Änderungskündigung und dem bereits im Arbeitsvertrag angelegten Widerrufsvorbehalt bedeuten (Däubler u.a., AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, § 308 Nr. 4 BGB Rn 30). Auf der anderen Seite ist aber auch eine Beschränkung auf "schwerwiegende Gründe" nicht zu fordern (Däubler u.a., AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, § 308 Nr. 4 BGB Rn 34). Zusammenfassend ist festzustellen, dass im Randbereich des Arbeitsvertrages kein schützenswertes Vertrauen des Arbeitnehmers in den Fortbestand der Leistung besteht. Die Widerrufsklausel muss deshalb die "Angemessenheit und Zumutbarkeit erkennen lassen" (BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, BB 2005, 833, 835; BAG v. 11.10.2006, BB 2007, 109, 112). Die zukünftig möglichen Widerrufsgründe müssen in der Klausel deshalb angegeben werden. Das BAG lässt es ausreichen, wenn die Widerrufsgründe zumindest die Richtung angeben, aus der der Widerruf möglich sein soll. Das Gericht verweist dabei auf die "wirtschaftliche Notlage des Unternehmens", ein "negatives wirtschaftliches Ergebnis der Betriebsabteilung", einen "nicht ausreichenden Gewinn" oder den "Rückgang der bzw. das Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung" als Konkretisierungsmöglichkeiten (BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, BB 2005, 833, 834). Vor dem Hintergrund des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist eine Angabe der konkreten Widerrufsgründe und eine Beschränkung im Hinblick auf den Kernbereich in der konkreten Widerrufsklausel zu formulieren. Dabei ist daran zu denken, aufzunehmen, dass der Widerruf max. 30 % der Gesamtvergütung umfassen darf. Des Weiteren empfiehlt sich eine Konkretisierung der Widerrufsgründe dann, wenn eine Leistungszulage aus verhaltensbedingten oder leistungsbedingten Gründen widerrufen werden soll (BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796). Die Bestimmung muss die Angemessenheit und Zumutbarkeit eines Widerrufs erkennen lassen, diese müssen im Text der Klausel zum Ausdruck kommen. Dies bedeutet, dass in den Widerrufsgründen zumindest die Richtung angegeben werden muss, aus der der Widerruf möglich sein soll. Konkretisierende Gründe können die wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, ein negatives wirtschaftliches Ergebnis der Betriebsabteilung, nicht ausreichender Gewinn, Rückgang oder Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung, unterd...

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