Rz. 735

Auch sog. Aufhebungs- und Abwicklungsverträge können einer AGB-Kontrolle unterzogen werden (Thüsing/Leder, BB 2004, 42, 43 f.; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 62 ff.). Zentralnorm der AGB-Kontrolle ist danach § 307 BGB.

 

Rz. 736

Die Frage der Anwendbarkeit des AGB-Rechts auf Aufhebungsverträge ist bei dem Eingreifen des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, also bei Vorliegen eines Verbrauchervertrages, zu bejahen. Da Aufhebungs- bzw. Abwicklungsverträge oftmals nur zur einmaligen Verwendung formuliert werden, kann die mehrmalige Verwendungsabsicht als Tatbestandsmerkmal des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB oftmals nicht anzunehmen sein. Eine Anwendung des AGB-Rechts findet dann nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB statt. Vor dem Hintergrund des § 307 BGB bleibt aber kontrollfrei die Vertragsbeendigung als solche einschließlich der gezahlten Abfindung (Gotthard, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn 308; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 63). Abreden, die die Hauptleistungen eines Vertrags, damit das Gegenseitigkeitsverhältnis eines Vertrags betreffen, müssen kontrollfrei bleiben. Dies sind die sog. kontrollfreien Preisabsprachen. Dieser eingeschränkten Kontrolle unterliegen alle Klauseln, die den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistungen festlegen. Im Arbeitsverhältnis sind das vor allem die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt. Es ist nicht Aufgabe eines Gerichts, über die §§ 305 ff. BGB den "gerechten Preis" zu ermitteln. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB steht jedoch einer Kontrolle der Hauptleistungspflichten nicht entgegen, wenn diese durch Rechtsvorschriften bestimmt werden. § 307 Abs. 3 S. 2 BGB beruht auf der Erwägung, dass ein Mindestmaß an Transparenz der Preisgestaltung einen funktionierenden Wettbewerb erst ermöglicht (BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04; BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04). Demgemäß unterliegen die in einem Aufhebungsvertrag enthaltenen Hauptleistungspflichten (Beendigung und Abfindung) keiner Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB, weil sie nicht von Rechtsvorschriften abweichen. § 1a KSchG kommt keine Leitbildfunktion zu (BAG v. 22.4.2004 – 2 AZR 281/03).

 

Rz. 737

 

Praxistipp

Sollte es allerdings im Aufhebungsvertrag dazu kommen, dass das Risiko, den Anspruch auf Alg zu realisieren, auf den Arbeitnehmer verlagert wird, so kann dies auf einer intransparenten Vertragsgestaltung beruhen. Für diese Fälle ist § 307 Abs. 1 S. 2 BGB problemlos anwendbar.

 

Rz. 738

Bei der Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 BGB sind nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Beispielhaft kann von Bedeutung sein, wenn der Arbeitgeber im Zuge der Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag die Unkenntnis drohender Versorgungsschäden oder sozialrechtlicher Nachteile beim Arbeitnehmer schuldhaft hervorruft. Geht die Initiative in einer solchen Verhandlungssituation vom Arbeitgeber aus, so ist er zu entsprechenden Hinweisen verpflichtet. Verletzt er diese Aufklärungspflicht, berührt dies nach bisheriger Rspr. die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages nicht, kann aber zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers führen (BAG v. 10.3.1988, NZA 1988, 837). Andererseits ist festzuhalten, dass die nicht genügende oder ausreichende Aufklärung durch den Arbeitgeber vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages keineswegs automatisch zu einer unangemessenen Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB führt. Die Berücksichtigung der "im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten" nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB führt zu keiner Abänderung des Prüfungsmaßstabs. Aufhebungsverträge sind nämlich keine Arbeitsverträge. Dabei werden als Arbeitsverträge i.S.d. § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 BGB auch Aufhebungs- und Abwicklungsverträge angesehen. Auf jeden Fall ist der Aufhebungsvertrag wie der Arbeitsvertrag ein Verbrauchervertrag. Eine einfache Überlegung darf dabei nicht unbeachtet bleiben. Während der Arbeitsvertrag zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses führt, setzt der Aufhebungsvertrag ihm gerade ein Ende. Geltend gemacht wird aber in diesem Zusammenhang, dass ein Wertungswiderspruch vermieden werden müsse, der darin zu sehen sei, dass man Aufhebungs- und Abwicklungsverträge einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle anhand des AGB-Rechts unterziehe. Das AGB-Recht gründe sich nämlich auf einen nicht angemessenen Vertragsausgleich, eben ein strukturelles Ungleichgewicht zulasten des Arbeitnehmers, das allerdings bei dem Abschluss von Aufhebungsverträgen nicht bestehe. Diese besondere Verhandlungsposition sei bei der Ermittlung des Begriffes "die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten" nach § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 BGB zu berücksichtigen. Danach würden Aufhebungs- und Abwicklungsverträge nur sehr eingeschränkt einer AGB-Kontrolle unterworfen werden können. Überdenkenswert ist im Ausgangspunkt schon die These, dass es beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht zu einem strukturellen Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen würde (Ein solches Unglei...

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