Rz. 600

Erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 S. 1 EStG) ist jede ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.

Der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte ist damit durch zwei Voraussetzungen gekennzeichnet:

das Vorhandensein einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung und
der dauerhaften Zuordnung zu diesem Tätigkeitsort.

Die Zuordnung richtet sich grundsätzlich nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen und die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen. Wird ein Arbeitnehmer mehr als 48 Monate an der gleichen Tätigkeitsstätte tätig, soll von einer dauerhaften Zuordnung an dieser Tätigkeitsstätte ausgegangen werden. Gleiches gilt bei unbefristeten und auch befristeten Dienstverhältnissen, sofern der Arbeitnehmer während der gesamten Dauer des befristeten Dienstverhältnisses am gleichen Ort tätig wird (Polizeibeamter im Streifendienst: FG Niedersachsen v. 24.4.2017 [2K 168/16]; Luftsicherheitskontrollkraft: FG München v. 9.2.2017 [11K 2508/16); Pilot: FG Hessen v. 23.3.2017 [1K 1824/15]).

Gem. § 9 Abs. 4 S. 5 EStG hat der Arbeitnehmer höchstens eine erste Tätigkeitsstätte pro Dienstverhältnis. Erfüllen aufgrund der zeitlichen Zuordnungsregel mehrere Tätigkeitsstätten in einem Dienstverhältnis die Voraussetzung einer Tätigkeitsstätte, weist der Gesetzgeber dem Arbeitgeber das Recht zu, die erste Tätigkeitsstätte zu bestimmen. Dabei muss es sich nicht um die Tätigkeitsstätte handeln, an der der Arbeitnehmer den zeitlich überwiegenden oder qualitativ bedeutsameren Teil seiner beruflichen Tätigkeit ausübt. Übt der Arbeitgeber die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte nicht aus oder ist sie nicht eindeutig, legt der Gesetzgeber diejenige Tätigkeitsstätte als erste Tätigkeitsstätte fest, die der Wohnung des Arbeitnehmers örtlich am nächsten liegt.

 

Rz. 601

Ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet liegt vor, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche ausgeübt werden soll in Abgrenzung zur Tätigkeit in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung. Ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet hat das FG-Hamburg für den Hamburger Hafen bejaht. In dem sich anschließenden Revisionsverfahren hat der BFH (BFH v. 11.4.2019, BStBl II 2019, 543) die Frage, ob der Hamburger Hafen ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet i.S.d. § 9 Abs. 4a S. 3 EStG darstellt, nicht entschieden, da sie aufgrund des abweichend von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts nicht rechtserheblich war. Ein sog. weiträumiges Arbeitsgebiet liegt aber nicht schon deshalb vor, weil der Arbeitnehmer ständig in einem Gemeindegebiet, im Bereich einer Großstadt oder in einem durch eine Kilometergrenze bestimmten Arbeitsgebiet an verschiedenen Stellen tätig wird.

Da der Arbeitnehmer bzgl. seiner Einsätze in einem weiträumigen Arbeitsgebiet nicht an einer ersten Tätigkeitsstätte seine Arbeit verrichtet, sind Fahrten zur weiträumigen Tätigkeitsstätte sowie die anschließende Arbeitsleistung als berufliche Auswärtstätigkeit zu beurteilen. Gleichwohl zählen die hierbei anfallenden Fahrtkosten zwischen Wohnung und Einsatzgebiet nicht zu den begünstigten Reisekosten. Das Gesetz fingiert eine Gleichstellung mit den Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte beim Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer

keine erste Tätigkeitsstätte hat und
aufgrund der arbeitsrechtlichen Weisungen seines Arbeitgebers arbeitstäglich dauerhaft dasselbe weiträumige Arbeitsgebiet aufsucht.

Für diese Fahrten sind die eingeschränkten Regelungen der Entfernungspauschale anzuwenden.

 

Rz. 602

Der Wegfall der Drei-Monats-Frist bedeutet, dass Fahrt- und Übernachtungskosten unabhängig von der jeweiligen Tätigkeitsdauer am gleichbleibenden auswärtigen Einsatzort zeitlich unbefristet Reisekosten sind. Lediglich für die Verpflegungspauschalen gilt weiterhin eine zeitliche Grenze, weil der Gesetzgeber ihren Ansatz ausdrücklich auf drei Monate beschränkt.

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