Rz. 938

Der Arbeitgeber darf nur dann ein Nebentätigkeitsverbot vereinbaren, wenn die Begrenzung der Nebentätigkeit für den Arbeitnehmer und der damit verbundene grundrechtliche Eingriff zum einen auf das bezweckte Ziel beschränkt wird, zum anderen muss es auch zur Erreichung des Zweckes verhältnismäßig sein. Daraus wird in der Praxis gefolgert, dass ein vertragliches Nebentätigkeitsverbot nur dann wirksam sei, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse am Abschluss eines solchen Verbotes hat (BAG v. 26.8.1976, AP Nr. 68 zu § 626 BGB). Dabei ist aber dem Arbeitgeber kein Ermessensspielraum bei der Erteilung oder Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung eingeräumt, vielmehr besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn nicht ein Versagungsgrund wegen einer zu befürchtenden Beeinträchtigung betrieblicher oder dienstlicher Interessen vorliegt (BAG v. 28.2.2002 – 6 AZR 33/01, ZTR 2002, 429). Umgekehrt ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Nebentätigkeit anzuzeigen, soweit dadurch dessen Interessen bedroht sein können (BAG v. 18.1.1996, AP Nr. 25 zu § 242 BGB – Auskunftspflicht). Eine rechtfertigungslose Untersagung einer Nebentätigkeit aufgrund einer vertraglichen Klausel ist ebenso wie ein generelles Verbot mit der nach Art. 12 GG gewährleisteten Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nicht zu vereinbaren. Die Untersagung kann deshalb grundsätzlich nur wirksam sein, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat. Das Interesse des Arbeitnehmers an der Ausübung der Nebentätigkeit und das Interesse des Arbeitgebers an der Unterlassung der Nebentätigkeit sind gegeneinander abzuwägen und soweit wie möglich zum Ausgleich zu bringen (BAG v. 19.12.2019 – 6 AZR 23/19).

 

Rz. 939

Bedarf eine Nebentätigkeit oder Nebenbeschäftigung der Zustimmung des Arbeitgebers, so ist dem Arbeitnehmer nicht jede Nebentätigkeit verboten, sondern er hat lediglich zuvor die Zustimmung des Arbeitgebers einzuholen. Ein solcher Erlaubnisvorbehalt berechtigt den Arbeitgeber allerdings nicht, eine Nebentätigkeit willkürlich zu verhindern. Wenn nämlich keine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu erwarten ist, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung oder aber der Zustimmung des Arbeitgebers (BAG v. 11.12.2001, AP Nr. 8 zu § 611 BGB – Nebentätigkeit; BAG v. 3.12.1970, AP Nr. 60 zu § 626 BGB). Auf diese Weise kann der Arbeitgeber vor Aufnahme der Nebentätigkeit überprüfen, ob die Interessen des Betriebes oder seines Unternehmens beeinträchtigt werden. Dies ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar (BAG v. 24.6.1999, AP Nr. 5 zu § 611 BGB – Nebentätigkeit). Eine tarifliche oder einzelvertragliche Regelung, die einer Genehmigungspflicht der Nebentätigkeit vorsieht, ist dann vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG so auszulegen, dass dem Arbeitgeber für solche Nebentätigkeiten, bei deren Ausübung eine Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers nicht zu erwarten ist, dem Arbeitnehmer zu erteilen hat. Dem Arbeitnehmer steht also gegen den Arbeitgeber ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zu (BAG v. 26.8.1976, AP Nr. 68 zu § 626 BGB; LAG Hamm v. 18.6.1998, ZTR 1998, 564).

 

Rz. 940

Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers kann zu einer Untersagung der Nebentätigkeit führen. Dies ist der Fall, wenn die Nebentätigkeit mit der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht vereinbar ist oder die Ausübung der Nebentätigkeit eine Verletzung der Arbeitspflicht darstellt (BAG v. 18.1.1996, AP Nr. 25 zu § 242 BGB – Auskunftspflicht). Das ist dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer trotz Aufforderung des Arbeitgebers über einen längeren Zeitraum hinweg Angaben über einen Teil seiner erheblichen Nebentätigkeiten völlig verweigert und er über einen anderen Teil zum Umfang seiner arbeitsmäßigen Beanspruchung keine Auskunft geben würde (BAG v. 18.1.1996, AP Nr. 25 zu § 242 BGB – Auskunftspflicht). Haupt- und Nebentätigkeit müssen sich zeitlich und gegenständlich klar voneinander abgrenzen lassen. Daraus folgt, dass z.B. ein Rechtsschutzsekretär der DGB-Rechtsschutz GmbH keinen Anspruch auf Zustimmung zur Aufnahme einer Nebentätigkeit als Rechtsanwalt haben kann. Dabei ist nämlich eine Kollision und eine zeitliche Überschneidung beider Tätigkeiten zu besorgen (BAG v. 21.9.1999, AP Nr. 6 zu § 611 BGB – Nebentätigkeit). Des Weiteren ist von einer Interessenbeeinträchtigung des Arbeitgebers dann auszugehen, wenn bei einem Rundfunksender beschäftigter Arbeitnehmer bei einem anderen, im publizistischen und finanziellen Wettbewerb mit dem Arbeitgeber stehenden Anbieter von Fernsehprogrammen Nachrichtentexte sprechen soll (BAG v. 24.6.1999, AP Nr. 5 zu § 611 BGB – Nebentätigkeit). Zudem beeinträchtigt eine Wettbewerbstätigkeit des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis zu seinem Arbeitgeber. Insoweit kann aber das Nebentätigkeitsverbot nur soweit reichen wie das berechtigte Wettbewerbsverbot reicht.

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