Rz. 240

§ 55a Abs. 1 GmbHG[932] bietet die Möglichkeit genehmigten Kapitals.

 

Rz. 241

Der Gesellschaftsvertrag kann die Geschäftsführer für höchstens fünf Jahre nach Eintragung der Gesellschaft ermächtigen, das Stammkapital bis zu einem bestimmten Nennbetrag – höchstens bis zur Hälfte des Stammkapitals zur Zeit der Ermächtigung – durch Ausgabe neuer Geschäftsanteile gegen Einlagen zu erhöhen. Möglich ist gem. § 55a Abs. 2 GmbHG auch, die Ermächtigung zu erteilen durch Änderung des Gesellschaftsvertrages für höchstens fünf Jahre nach deren Eintragung. Gem. § 55a Abs. 3 GmbHG dürfen Geschäftsanteile gegen Sacheinlagen (§ 56 GmbHG) nur ausgegeben werden, wenn die Ermächtigung es vorsieht. Das genehmigte Kapital ist gem. §§ 10 Abs. 2 S. 1, 57 GmbHG im Handelsregister einzutragen (zur Anmeldung vgl. Rdn 222 ff.).

 

Rz. 242

Das GmbHG regelt das genehmigte Kapital nur lückenhaft; lückenfüllend sind grundsätzlich die aktienrechtlichen Regelungen der §§ 202 ff. AktG analog heranzuziehen. Z.B. darf die Geschäftsführung von der Ermächtigung nur Gebrauch machen, wenn die Einlagen auf das bisherige Stammkapital vollständig geleistet sind (§ 203 Abs. 3 S. 1 AktG analog).[933] Mangels gesetzlicher ausdrücklicher Grundlage kommt entgegen h.M. keine Ermächtigung in Betracht, das Bezugsrecht der Altgesellschafter (vgl. allg. Rdn 236) auszuschließen.[934]

 

Rz. 243

Streitig ist, ob die Gesellschafterversammlung der Geschäftsführung Weisungen für die Durchführung der Kapitalerhöhung erteilen darf.[935] Der Beschluss der Geschäftsführer zur Erhöhung des Kapitals entspricht inhaltlich dem Gesellschafterbeschluss über eine ordentliche Kapitalerhöhung nach § 55 Abs. 1 GmbHG; er muss daher wie dieser insb. den Betrag der Kapitalerhöhung bezeichnen (vgl. Rdn 228) Ob es zulässig ist, im Rahmen des genehmigten Kapitals wie bei der ordentlichen Erhöhung (vgl. Rdn 228) betragsmäßig bestehende Geschäftsanteile aufzustocken, ist nicht geklärt.[936]

 

Rz. 244

Für genehmigtes Kapital besteht bei der GmbH regelmäßig kein praktisches Bedürfnis.[937] Bei der Beratung, ob sich genehmigtes Kapital empfiehlt, ist regelmäßig zu bedenken, dass dieses ein erhebliches Potential der Verschiebung von Machtverhältnissen und des Charakters der Gesellschaft mit sich bringen kann. Das ist besonders hoch bei Ermöglichung von Sacheinlagen nach § 55a Abs. 3 GmbHG. Diese bringen regelmäßig u.a. erhebliche Bewertungsprobleme mit sich und können das Geschäft der GmbH grundlegend verändern (man denke an die existenzbedrohende Krise, in die der Vorstand der HypoRealEstate AG die Gesellschaft durch Erwerb der Depfa plc. gebracht hat, ohne die Aktionäre vorher zu befragen). Auch die Festsetzung des auf einen neuen Geschäftsanteil zu zahlenden Agios ist sehr konfliktträchtig. Gesellschafter sind durch das Bezugsrecht nur unzulänglich geschützt. Denn da es die Geschäftsführer in der Hand haben, wann sie die Ermächtigung ausnutzen, kann sich für die Gesellschafter leicht die Situation ergeben, dass sie ihr Bezugsrecht überhaupt nicht ausüben können oder wollen, da ihnen die Konditionen zu unattraktiv erscheinen. Werden Bezugrechte nicht (voll) ausgeübt, steht der Restbetrag bezugswilligen Gesellschaftern, die ihr Bezugsrecht voll ausgeübt haben, nach dem Verhältnis ihrer vor der Kapitalerhöhung unter Außerachtlassung der nicht bezugswilligen Gesellschafter bestehenden Beteiligungsquoten zu (Bezugsrechte zweiter Stufe).[938] So kann ein Geschäftsanteil leicht entwertet werden, und Gesellschafter müssen den unsicheren Weg gehen, Schadensersatzansprüche wegen rechtswidriger Ausnutzung des genehmigten Kapitals geltend machen.

[932] Vgl. zur Entstehung und Kritik der Regelungen 8. Aufl., Rn 226 f.
[933] So auch Wachter, NotBZ 2008, 361, 374.
[934] So auch Wachter, NotBZ 2008, 361, 374; aA Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft Okt. 2008, S. 45; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 55a Rn 23; NK/Inhester, § 55a Rn 24; Henssler/Strohn/Gummert, § 55a Rn 16; Baumbach/Hueck/Servatius, § 55a Rn 7; Roth/Altmeppen/Roth, § 55a Rn 20; Scholz/Priester, § 55a Rn 34 f.; Priester, GmbHR 2008, 1177, 1181 f.; Priester, GmbHR 2012, 331; Klett, GmbHR 2008, 1312, 1314; OLG München GmbHR 2012, 329. Zurückhaltend im Hinblick auf die Ermächtigung der Geschäftsführer auch Kindler, in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 669, 672 ff., wonach Bezugsrechtsausschluss nur zulässig ist, "wenn in der konkreten Entscheidungssituation keine Zeit ist, die Gesellschafterversammlung mit der Frage des Bezugsausschlusses zu befassen", was praktisch nie der Fall sein wird. Jedenfalls muss (Ermächtigung zum) Bezugsrechtsausschluss bereits bei Schaffung des genehmigten Kapitals erfolgen, nachträgliche Einführung ist entspr. § 186 Abs. 3 AktG unzulässig, BeckOK-GmbHG/Ziemons, § 55a Rn 59; aA MüKo/Lieder, § 55a Rn 70.
[935] Bejahend Baumbach/Hueck/Servatius, § 55a Rn 12; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 55a Rn 9, 17; NK/Inhester, § 55a Rn 30; Eggert, GmbHR 2014, 856, 857 ff.; verneinend Klett, GmbHR 2008, 1312, 1315; Michalski/Hermanns, § 55a Rn 11; Wicke/Wic...

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