Rz. 135

Arbeitgeber müssen zahlreiche sozialrechtliche Pflichten und Verhaltensvorschriften befolgen; diese Regeln sind verstreut in zahlreichen Gesetzen (etwa Sozialgesetzbücher, Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, Mindestlohngesetz, Arbeitnehmerentsendegesetz, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz). Wegen ihrer Allzuständigkeit sind die Geschäftsführer für die Erfüllung ihrer GmbH-Pflichten zuständig. Die Nichteinhaltung kann Bußgeld, Strafe und zivilrechtliche Haftung nach sich ziehen.[574]

 

Rz. 136

Der Geschäftsführer haftet u.a. gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB persönlich, wenn und soweit er Arbeitnehmeranteile nicht abführt, nach bisher h.M.[575] nicht aber für die Arbeitgeberanteile.[576] Die Haftung betrifft nicht Säumniszuschläge.[577] Sie setzt Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft voraus, für die den Sozialversicherungsträger die Beweislast trifft.[578] Der Geschäftsführer soll Arbeitnehmeranteile selbst dann i.S.v. § 266a Abs. 1 StGB vorenthalten und deswegen haften, wenn die GmbH keinen Lohn gezahlt hat.[579] Vorsatz ist nach dem BGH nur anzunehmen, wenn der Geschäftsführer auch die außerstrafrechtlichen Wertungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts zumindest als Parallelwertung in der Laiensphäre nachvollzogen hat, m.a.W. seine Stellung als Arbeitgeber und die daraus resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungspflicht mindestens für möglich gehalten und deren Verletzung billigend in Kauf genommen hat.[580] Streitig ist, ob es den Geschäftsführer entlastet, dass ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter auch bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung den Zeitraum voll ausgeschöpft hätte, in dem Insolvenzausfallgeld gezahlt worden wäre; der BGH bejaht dies grundsätzlich.[581] Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung soll der Insolvenzanfechtung unterliegen können[582] – was mE einen Wertungswiderspruch zur Rspr. des BGH (vgl. Rdn 126) darstellt, dass der Geschäftsführer nach § 64 S. 1 GmbHG a.F./nunmehr entsprechend § 15b Abs. 1 S. 1 InsO nicht haftet, wenn er Sozialabgaben abführt.[583]

Die ordentlichen Gerichte sind zuständig, wenn die Bundesanstalt für Arbeit an Arbeitnehmer Insolvenzgeld gezahlt hat und dessen Erstattung vom Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung verlangt.[584]

[574] Vgl. den Überblick bei Versen, GmbHR 2020, 132.
[575] Zweifelhaft, nachdem gem. § 266a Abs. 2 StGB auch das Vorenthalten von Arbeitgeberanteilen strafbar ist, soweit dies darauf zurückzuführen ist, dass der Täter gegenüber der Einzugsstelle unrichtige oder unvollständige Angaben über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen macht oder die Einzugsstelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Nach BAG ist § 266 Abs. 2 a.F./Abs. 3 n.F. StGB Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, NJW 2005, 3739.
[576] Vgl. BGH DB 2001, 526 ff.; BGH DB 2001, 528 f.; BGH GmbHR 2009, 991; vgl. zum Ganzen Hoffmann, DB 1986, 467; Scholz/Schneider, § 43 Rn 386 ff.; Groß, ZIP 2001, 945 ff.; Ranft, DStR 2001, 132; Bittmann, DStR 2001, 855.
[577] KG GmbHR 2007, 1329. Nach BAG v. 23.2.2016 – 9 AZR 293/15, ZIP 2016, 885 keine persönliche Haftung der organschaftlichen Vertreter nach § 7e Abs. 7 S. 2 SGB IV für Insolvenzsicherung von Wertguthaben aus Altersteilzeit.
[578] BGH ZIP 2005, 1026, 1028; OLG Hamm ZIP 2000, 198; ebenso Medicus, GmbHR 2000, 7; aA OLG Naumburg GmbHR 1999, 1028.
[579] BGHZ 144, 311; BGH (Strafsenat) NZG 2002, 721; vgl. auch zur Pflicht, Zahlungsanweisungen sicherzustellen, und zur Tilgungsreihenfolge BGH NZG 2001, 320; BGH NJW-RR 2001, 1280.
[580] BGH v. 24.9.2019 – 1 StR 346/18, BGHSt 64, 195 Rn 18 ff. (unter Aufgabe der vorherigen Rspr. vertritt der BGH, dass, wenn der Geschäftsführer über seine Arbeitgeberstellung oder die daraus resultierende Pflicht zum Abführen irre, kein Verbots-, sondern Tatbestandsirrtum vorliege).
[581] BGH ZIP 2008, 361 unter Aufhebung von OLG Koblenz ZIP 2007, 120; wie BGH zuvor OLG Saarbrücken NZG 2007, 105.
[582] BGH ZIP 2005, 1026, 1028 f.; BGHZ 149, 100; vgl. schon BGHZ 144, 311, 320; aA OLG Dresden ZIP 2003, 360.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge