Leitsatz (amtlich)

1. Zahlt der Geschäftsführer einer GmbH in der Krise der Gesellschaft den Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherung an die Einzugsstelle, so ist diese Zahlung nicht gem. §§ 129 ff. InsO anfechtbar, weil mit ihr keine Benachteiligung der anderen Insolvenzgläubiger i.S.v. § 129 Abs. 1 InsO verbunden ist (Abweichung von BGH, Urt. v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, MDR 2002, 418 = BGH-Report 2002, 84 = NJW 2002, 512).

2. Zahlt der Geschäftsführer den Arbeitnehmeranteil nicht, kann er sich gegen eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a Abs. 1 StGB nicht mit dem Einwand verteidigen, eine Zahlung wäre ohnehin nach Insolvenzeröffnung vom Insolvenzverwalter angefochten worden (sog. Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens).

Unabhängig von der Frage der Anfechtbarkeit einer Zahlung nach §§ 129 ff. InsO (dazu LS 1) verwehrt der Schutzzweck des § 226a StGB dem Geschäftsführer in diesem Falle die Berufung auf den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens (Abweichung von BGH, Urt. v. 14.11.2000 – VI ZR 149/99, MDR 2001, 453 = NJW 2001, 967).

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Aktenzeichen 1 O 4522/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.04.2005; Aktenzeichen II ZR 61/03)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Chemnitz, 1. Zivilkammer, vom 31.5.2002 (Az: 1 O 4522/01) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Vollstreckungsbescheid des AG Chemnitz vom 27.9.2001 (Az: B 11433/01) mit einem Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG vom 9.6.1998 aufrechterhalten wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.d. beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatz wegen vorenthaltener Arbeitnehmeranteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag i.H.v. insgesamt 13.794,91 Euro (26.980,50 DM) geltend.

Die Klägerin ist eine in ansässige Krankenkasse und war im Jahre 2000 Einzugsstelle für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge der Fa. … Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik GmbH (Gemeinschuldnerin). Der Beklagte war Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin. Für die Monate Mai, Juni und Juli 2000 führte die Gemeinschuldnerin die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe eines Gesamtbetrages von 13.794,91 Euro nicht an die Klägerin ab. Der Beklagte teilte der Klägerin als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin mit dem als Anlage B 1 vorgelegten Schreiben vom 20.6.2000 mit, die Gemeinschuldnerin sei bedingt durch einen größeren Forderungsausfall infolge der Insolvenz eines bedeutenden Kunden nicht in der Lage gewesen, die zum 15.6.2000 fälligen Löhne und Gehälter der bei ihr beschäftigten Mitarbeiter für den Monat Mai 2000 zu bezahlen. Vielmehr habe eine Stundung erfolgen müssen. Im Hinblick darauf bitte er im Auftrag der Gesellschaft darum, die Gesamtsozialversicherungsbeiträge der betroffenen Mitarbeiter für den Monat Mai zunächst für einen Monat, also bis zum 15.7.2000, zu stunden. Zu einer Stundungsvereinbarung der Klägerin mit der Gemeinschuldnerin kam es allerdings nicht. Im Monat Juli 2000 stellte die Gemeinschuldnerin ihren Geschäftsbetrieb ein.

Unter dem 18.8.2000 stellte die Gemeinschuldnerin Insolvenzantrag beim AG Plauen. Der Antrag wurde an das zuständige Insolvenzgericht, das AG Chemnitz, weitergegeben, wo er am 24.8.2000 eintraf. Das Insolvenzgericht beauftragte mit Beschluss vom 24.8.2000 Rechtsanwalt H. aus Zwickau mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage des Vorliegens eines Insolvenzverfahrens-Eröffnungsgrundes. Aufgrund des Gutachtens vom 20.3.2001 eröffnete das Insolvenzgericht am 22.3.2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin und bestellte Rechtsanwalt H. zum Insolvenzverwalter. Das Verfahren wird beim AG Chemnitz unter dem Aktenzeichen 114 IN 1629/00 geführt.

Das AG Chemnitz hat gegen den Beklagten unter dem 15.2.2002 einen Strafbefehl (Az: 18 Cs 365 Js 32918/01; Anlage B 4) wegen Insolvenzverschleppung gem. § 64 Abs. 1 GmbHG erlassen. Der Strafbefehl ist inzwischen rechtskräftig.

Die Klägerin hat den Beklagten wegen der unterbliebenen Zahlung der Arbeitnehmeranteile auf Schadensersatz wegen Verstoßes gegen § 266a StGB in Anspruch genommen. Sie hat vorgetragen, der Gemeinschuldnerin hätten trotz der finanziellen Krisensituation die notwendigen Zahlungsmittel für die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung für die Monate Mai, Juni und Juli 2000 zur Verfügung gestanden. Ob die Gemeinschuldnerin zahlungsunfähig i.S.v. § 17 Abs. 2 InsO gewesen sei, könne dahinstehen.

Der Beklagte hat eingewandt, er habe nicht gegen § 266a StGB verstoßen. Eine Zahlung der streitgegenständlichen Arbeitnehmeranteile sei ihm nicht möglich gewesen, weil die Gemeinschuldnerin über entsprechende Mittel nicht verfügt habe. Infolge der Insolvenz ihrer Muttergesellschaft ...

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