Rz. 179

Die Berufungsschrift muss gem. § 519 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 130 Nr. 6 ZPO von einem Rechtsanwalt (§ 78 Abs. 1 S. 1 ZPO)[276] eigenhändig unterzeichnet sein (zu den modernen Kommunikationsmitteln Rdn 186 ff.).[277] Die Unterschrift ist ein auf die Identität des Unterschreibenden hindeutender Schriftzug. Sie weist individuelle Merkmale auf und muss deswegen grundsätzlich nicht lesbar sein. Um aber als "Schrift" qualifiziert zu werden, verlangt die Rechtsprechung, dass wenigstens einzelne Buchstaben erkennbar sind und auf die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung geschlossen werden kann, auch wenn die Unterschrift nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist.[278] Es ist wegen des Zwecks der Unterschrift – Identifizierung und Verdeutlichung der Übernahme der Verantwortung – ein großzügiger Maßstab anzulegen.[279] Da ein Dritter, der den Namen des Unterschreibenden nicht kennt, den Namen aus dem Schriftzug der Unterschrift herauslesen können muss, haben Anwälte, die sich zu einer Sozietät zusammengeschlossen haben, unter ihrer Unterschrift die Namensangabe durch Maschinenschrift oder Stempelaufdruck hervorzuheben.

 

Rz. 180

Hinzuweisen ist auf die Notwendigkeit der vollen Namensangabe; Handzeichen (Paraphen) stellen keine wirksame Unterschrift dar;[280] ferner ist bei Doppelnamen auf eine vollständige Unterschriftsleistung zu achten. Zulässig ist lediglich, einen Teil des Doppelnamens abzukürzen (nicht aber wegzulassen).[281]

 

Rz. 181

Schließlich muss der Anwalt mit der Unterschriftsleistung die eigene Verantwortung für die Rechtsmittelschrift übernehmen und deshalb auf die Verwendung von Distanzierungsvermerken verzichten. Derartige Distanzierungsvermerke können die Berufung unzulässig machen. Riskant ist auch die Zeichnung "i.A.", während die Unterzeichnung "i.V." durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt keinen Bedenken begegnet.[282] Unbedenklich ist auch die Unterzeichnung eines bestimmenden Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt für einen anderen Rechtsanwalt, wenn seiner Unterschrift maschinenschriftlich der Name des anderen Rechtsanwalts beigefügt wird.[283]

 

Rz. 182

 

Hinweis

Das Fehlen der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten kann ausnahmsweise unschädlich sein. Voraussetzung ist dann aber, dass sich aus anderen – eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen – eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür ergibt, dass der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen und diesen willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat. Heilbar sind deshalb Unterschriftenmängel, wenn

der nicht unterschriebenen Urschrift der Berufung beglaubigte Abschriften beigefügt sind und der Prozessbevollmächtigte hierauf handschriftlich den Beglaubigungsvermerk vollzogen hat[284] oder
der Berufungsschrift ein mit dieser fest verbundenes und vom Prozessbevollmächtigten unterzeichnetes Begleitschreiben beigefügt war.[285]

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu gewähren, wenn der fristgerecht per Telefax an das Landgericht übermittelte Berufungsschriftsatz wegen eines Versehens des Büropersonals keine Unterschrift des bevollmächtigten Rechtsanwaltes enthält, anders als der zwei Tage nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangene Originalschriftsatz. Der Anwalt muss hierzu aber dartun, durch allgemeine Anweisung Vorsorge dafür getroffen zu haben, dass bei normalem Verlauf der Dinge Fristversäumnisse wegen fehlender Unterschrift vermieden werden.[286] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann ferner beantragt werden, wenn die Berufungsfrist versäumt wird, weil das sorgfältig ausgewählte und ansonsten zuverlässige Personal dem Anwalt die Akten nicht zur ausdrücklich angeordneten Wiedervorlage zwecks Unterschrift vorgelegt hat.[287]

 

Rz. 183

Ein von einem Vertreter ohne Vollmacht eingelegtes Rechtsmittel ist als unzulässig zu verwerfen. Der Mangel der Vollmacht bei Einlegung eines Rechtsmittels kann nach § 89 Abs. 2 ZPO durch Genehmigung des Vertretenen mit rückwirkender Kraft geheilt werden, soweit noch nicht ein das Rechtsmittel als unzulässig verwerfendes Prozessurteil vorliegt. Insoweit genügt die Erteilung einer Prozessvollmacht.[288]

[276] Vgl. OLG Dresden MDR 2017, 1263: Keine Diskriminierung nicht in Deutschland zugelassener oder aufgenommener Rechtsanwälte durch EuRAG.
[278] BGH VersR 2017, 506; BGH FamRZ 1997, 737.
[279] BGH VersR 2017, 506.
[282] Musielak/Voit/Ball, § 519 ZPO Rn 12.
[284] BGH NJW 1957, 990; BGH NJW 2005, 2086, 2088.
[285] BGH NJW 1962, 1724; BGH NJW 1986, 1760; BGH NJW 2005, 2086, 2088.
[286] BVerfG NJW 2004, 2583 (für die Berufungsbegründungsfrist).
[288] BGH BeckRS 2017, 140257.

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