Rz. 234

Der Prozessbevollmächtigte einer Partei hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und fristgerecht beim zuständigen Gericht eingeht.[358] Hierzu gehört auch, dass er mit der Bearbeitung einer Rechtsmittelbegründung so rechtzeitig beginnt, dass sie innerhalb der Frist fertiggestellt und dem Gericht übermittelt werden kann. Grundsätzlich dürfen Fristen bis zum letzten Tag ausgeschöpft werden.[359] Genügt dem Berufungsführer die gesetzlich vorgesehene Fristverlängerungsmöglichkeit von einem Monat nicht und ist eine Einwilligung des Gegners für eine weitere Fristverlängerung nicht zu erreichen, wird er bei fehlendem Verschulden durch die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) geschützt.[360]

 

Rz. 235

 

Beispiel

Ist die sachgerechte Bearbeitung nicht ohne Akteneinsicht möglich, reicht es aus, diese so rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist zu beantragen, dass der bis zum Fristablauf verbleibende Zeitraum nach dem gewöhnlichen Verlauf zur Erstellung und Übermittlung der Rechtsmittelbegründung ausreicht. Der Rechtsmittelführer ist daher nur solange als an der fristgemäßen Einreichung der Rechtsmittelbegründung gehindert anzusehen, wie ihm die Prozessakten trotz eines rechtzeitigen Akteneinsichtsgesuchs unverschuldet nicht oder nicht vollständig zur Verfügung stehen.[361]

[359] BGH NJW-RR 2018, 311, 312. Vgl. zur Fristenkontrolle aber BGH NJW-RR 2017, 1532: Zu einer wirksamen Fristenkontrolle gehört die Anordnung, dass die Erledigung von fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages durch eine dazu beauftragte Bürokraft anhand des Fristenkalenders nochmals selbstständig überprüft wird. Dabei ist, gegebenenfalls anhand der Akten, auch zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden sind.
[360] BGH BeckRS 2018, 861.
[361] BGH NJW-RR 2018, 311, 312; BGH NJW 2018, 952.

aa) Wiedereinsetzung bei Versagung der Fristverlängerung

 

Rz. 236

Lehnt der Vorsitzende die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ab, gibt es hiergegen gem. § 225 Abs. 2 ZPO kein Rechtsmittel.[362] Dem Berufungskläger bleibt nur die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrags nach §§ 233 ff. ZPO. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann beantragt werden, wenn der Berufungskläger mit großer Wahrscheinlichkeit darauf vertrauen durfte, dass der Vorsitzende seinem Verlängerungsantrag stattgeben wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine erstmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um nicht mehr als einen Monat beantragt wird.[363]

 

Rz. 237

Ist die Berufungsbegründungsfrist bereits ein erstes Mal um einen Monat verlängert worden und wird ein zweiter Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ohne die Einwilligung des Gegners gestellt, kann der Berufungskläger nicht darauf vertrauen dürfen, dass der Vorsitzende die beantragte Fristverlängerung gewährt.[364]

[362] BGH NJW 1988, 268.
[363] BGH NJW 2017, 2041; auch bei Räumungssachen: BGH BeckRS 2018, 2665.

bb) Wiedereinsetzung bei falscher Fristennotierung

 

Rz. 238

Häufig sind Wiedereinsetzungsgesuche wegen fehlerhaft notierter Fristen erforderlich. Um den Wiedereinsetzungsantrag bei falscher Fristennotierung erfolgreich stellen zu können, muss der Bevollmächtigte des Berufungsklägers Folgendes beachten:

Er darf zu dem Zeitpunkt, zu dem er den Verlängerungsantrag stellt, keinesfalls anordnen, dass die ursprüngliche Berufungsbegründungsfrist gestrichen wird. Diese Frist muss vielmehr so lange notiert bleiben, bis das Berufungsgericht über den Verlängerungsantrag entschieden hat.[365]
Gleichzeitig ist zu dokumentieren, dass der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gestellt worden ist. Der Bevollmächtigte des Berufungsklägers muss hierbei darauf achten, dass der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender vornotiert wird und auf dem Aktendurchschlag, dem Handaktenbogen oder dem Postausgangsbuch ein Vermerk über den Ausgang des Fristverlängerungsgesuchs notiert wird.[366] Anzubringen ist der Vermerk von einer zuverlässigen Bürokraft und – zur Risikoreduzierung – auch von derjenigen Person, die das Schriftstück zur Absendung gebracht hat.[367]
Ist die Berufungsbegründungsfrist errechnet und befindet sich in den Handakten ein Vermerk über die Notierung der Frist im Fristenbuch, kann sich der Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Prüfung des Erledigungsvermerks in der Handakte beschränken und braucht nicht noch zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im Fristenkalender eingetragen ist, außer es drängen sich an der Richtigkeit Zweifel auf. Findet sich in der Handakte kein auf die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender bezogener Erledigungsvermerk, bleibt der Rechtsanwalt zur Kontrolle der Eintragung im Fristenkalender verpflichtet.[368]
Das mutmaßliche Ende der gewährten Frist muss mit Vorfrist im Fristenkalender eingetragen werden.[369] Bei Eingang der Entscheidung über die Fristverlängerung...

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