Rz. 165

Eine Verpflichtung des angerufenen Berufungsgerichts, die Zuständigkeit unmittelbar nach Eingang der Berufungsschrift zu prüfen, um ggf. aufgrund eines Fehlers des Berufungsklägers den Rechtsstreit an das zuständige Gericht weiterzureichen, gibt es nicht.[245] Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts "ohne Weiteres" bzw. "leicht und einwandfrei" zu erkennen ist und die nicht rechtzeitige Aufdeckung der nicht gegebenen Zuständigkeit auf einem offenkundig nachlässigen Fehlverhalten des angerufenen Gerichts beruht.[246] Dann muss eine Weiterleitung des Schriftsatzes erfolgen. Ist der für das Rechtsmittelgericht bestimmte fristgebundene Schriftsatz etwa bei dem mit der Sache befassten erstinstanzlichen Gericht eingereicht worden, muss das erstinstanzliche Gericht den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Gericht weiterleiten. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist dann zu gewähren, wenn dies unterblieben ist und die Weiterleitung im Geschäftsgang genügt hätte, was die Partei in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch darzulegen und glaubhaft zu machen hat.[247] Ist ein für das Rechtsmittelgericht bestimmter fristgebundener Schriftsatz beim erstinstanzlichen Gericht so zeitig eingegangen, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne Weiteres erwartet werden kann, darf die Partei hierauf gerade auch dann vertrauen, wenn sie ihren Fehler noch vor Fristablauf bemerkt hat oder hätte bemerken müssen.[248] Eine gerichtliche Pflicht zur Prüfung des Fristablaufs, telefonischen Information des Berufungsklägers und Weiterleitung des Schriftsatzes als besonders eilig oder per Fax besteht nicht.[249]

 

Rz. 166

Eröffnet ein Gericht die Möglichkeit der Weiterleitung von Schriftstücken an das zuständige Gericht (über Postausgangsfächer), muss der fristgebundene Schriftsatz so rechtzeitig abgegeben werden, dass ein fristgemäßer Eingang beim zuständigen Gericht mit Sicherheit erwarten werden kann.[250]

[245] BGH NJW 2018, 165, 166; BGH NJW 2005, 3776.
[246] BGH NJW 2018, 165, 166.
[248] BGH BeckRS 2015, 18256.

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