Rz. 9

Eine Vollmacht kann auf die Lebenszeit des Vollmachtgebers beschränkt sein, sie kann aber auch darüber hinausgehen (= transmortal) oder erst mit dem Tod beginnen (= postmortal).

1. Transmortale Vollmacht

 

Rz. 10

Die transmortale Vollmacht ist eine solche, die unter Lebenden unbefristet und unbedingt erteilt wird und die nach dem Tod des Vollmachtgebers fortbesteht. Das gilt beispielsweise für die vertypte Prokura von Gesetzes wegen, aber auch die nicht diesem Typus entsprechenden Vollmachten, die lebzeitig unbefristet und unbedingt erteilt werden. Diese gelten im Zweifel als über den Tod hinaus erteilt (§§ 168 S. 1, 672 S. 1 BGB).

Die transmortale Vollmacht in Form einer Generalvollmacht gibt dem Bevollmächtigten das Recht, den Vollmachtgeber in allen Angelegenheiten, in denen eine Stellvertretung zulässig ist, zu vertreten. Dadurch kommt es nach dem Tode zu einer Doppelzuständigkeit, nämlich der des Erben und der des Bevollmächtigten. Darüber hinaus könnte noch ein Testamentsvollstrecker bestimmte Zuständigkeiten für sich reklamieren.

 

Rz. 11

Eine transmortale Vollmacht wirkt über den Tod hinaus, ohne dass es besonderer Rechtsnachweise bedürfte. Hier zeigt sich der besondere Vorteil einer solchen Vollmacht. Der Bevollmächtigte benötigt keinen Erbschein oder sonstige Nachweise, lediglich die ihn ausweisende Vollmachtsurkunde. Bei einer entsprechenden weit gefassten Vollmacht besitzt der Vollmachtnehmer auch nach dem Tod des Erblassers umfängliche Handlungsfreiheiten. In der Praxis zeigt sich, dass bis zur Erteilung eines Erbscheins gerade in unklaren oder zweifelhaften Fällen oft Monate vergehen. In diesen Fällen hilft das Vorliegen einer transmortalen Vollmacht schnell weiter. Sie findet rechtlich ihre Grenzen allenfalls in dem Verbot des Selbstkontrahierens und des Vollmachtsmissbrauchs sowie bei höchstpersönlichen Rechtsgeschäften.[5]

 

Rz. 12

Besonderheiten sind darüber hinaus im Grundbuchverkehr zu beachten, und zwar in den Fällen, in denen eine transmortale Vollmacht erteilt ist und der Vollmachtnehmer Alleinerbe geworden ist. Zwar wird zu Recht darauf hingewiesen, dass insbesondere transmortale Vollmachten in umfassender und kostengünstiger Weise die Nachlassabwicklung gewährleisten.[6] Derjenige, der die Vollmachtsurkunde in Händen hält, genießt den Rechtsschein gemäß § 172 Abs. 1 BGB. Die Vertretungsmacht ist nachgewiesen.

Ist der Bevollmächtigte allerdings auch Alleinerbe geworden, kommt es zu einem nicht auflösbaren Widerspruch, der sich aus dem Grundgedanken des Rechts der Stellvertretung ergibt.[7] § 164 Abs. 1 S. 1 BGB beschreibt ja die Abgabe einer Willenserklärung für den Vertretenen, geht also offensichtlich von Personenverschiedenheit aus. Ein Vertreter kann aber nicht für sich selbst als sein eigener Geschäftsherr handeln, sodass es sich hier weniger um eine Konfusion handelt, die gelegentlich von der Rechtsprechung angenommen worden ist,[8] sondern richtigerweise anzunehmen ist, dass mit dem Erbfall die Vollmacht ihre Wirkung als Rechtsscheinsträger verliert.[9]

 

Rz. 13

Folgen hat das für das Handeln des Alleinerben (Bevollmächtigten) im Grundbuchverkehr dann, wenn dem Grundbuchamt durch Vorlage der die Erbfolge nachweisenden letztwilligen Verfügung samt Eröffnungsprotokoll der Erbfall bekannt ist und dennoch aufgrund der vorgelegten Vollmachturkunde gehandelt werden soll. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Handeln als Bevollmächtigter in diesen Fällen ausgeschlossen ist, da die Vollmacht ihre Wirkung verloren hat, sobald der Erbfall eingetreten ist. Ergibt sich die Erbfolge aus einer handschriftlichen Urkunde oder gar aus dem Gesetz, müsste in diesen Fällen sogar ein Erbschein beantragt werden, und das trotz der Vollmachtsurkunde.

In der Literatur wird zum Teil noch vertreten, dass die Vollmacht für den Alleinerben fortbesteht. Allerdings rechtfertigt das Vertrauen des Rechtsverkehrs auf die Vollmacht nicht die Annahme, dass die Vollmacht tatsächlich fortbesteht.[10] Die grundsätzlich vorgesehene Personenverschiedenheit von Erbe und Vertreter wird mit diesem Argument nicht überwunden. Anders ist das natürlich bei einer Mehrheit von Erben, Ausnahmen gelten auch für den Bereich der Testamentsvollstreckung und der Vor- und Nacherbfolge, worauf noch einzugehen sein wird (siehe Rdn 24 bzw. Rdn 30).

 

Rz. 14

Die Rechtsprechung meint, dass spätestens mit der Vorlage des Eröffnungsprotokolls die Vollmachtsurkunde ihre Wirkung verliere[11] und ist offensichtlich der Auffassung, dass der Bevollmächtigte, der den Eintritt des Erbfalls verschweigt, weiterhin aufgrund der Vollmacht handeln könnte. So wäre es also von dem Bevollmächtigten unklug, in diesen Fällen überhaupt den Erbfall zu offenbaren. Darauf kann es indes letztlich nicht ankommen. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass es sich hierbei wohl ausschließlich um einen verfahrensrechtlichen Umstand handeln kann, der aber materiell-rechtlich keine Bedeutung hat.[12]

 

Rz. 15

Im Übrigen dürfte in diesen Fällen keineswegs die Unwirksamkeit des vom Alleiner...

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