Rz. 30

Wenn der Erblasser eine transmortale Generalvollmacht erteilt hat, für seinen Nachlass aber eine Vor- und Nacherbfolge anordnet, kommt es zu einer Kollision von Befugnissen, wenn der Bevollmächtigte seinerseits Vorerbe wird. Hier stellt sich nämlich die Frage, ob der Vorerbe noch aufgrund der transmortalen Vollmacht für den Erblasser uneingeschränkt handeln kann und insbesondere, ob dann dieser so Bevollmächtigte auch für die eingesetzten Nacherben handeln könnte.

 

Rz. 31

Es wurden vom OLG München und vom OLG Stuttgart zwei ähnlich gelagerte Fälle unterschiedlich gelöst, in denen jeweils der Bevollmächtigte für die Nacherben einer Verfügung der Vorerben zugestimmt und gleichzeitig auch die Löschung des Nacherbenvermerks bewilligt hatte. In beiden Fällen handelt es sich um eine Mehrheit von Bevollmächtigten und von Erben. Das OLG München[31] ist zu der Auffassung gelangt, dass der Vorerbe die Zustimmung zu einer Verfügung sich selbst gegenüber nicht unter Berufung auf eine vom Erblasser erteilte Generalvollmacht namens der Nacherben erklären könne, wenn nicht der Nacherbe ihm gegenüber zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet sei. Auch hier wird wieder geprüft, ob nicht ein Fall der Konfusion bzw. Konsolidation vorliege. Das OLG Stuttgart meint hierzu, darauf komme es nicht an, schließlich sei die gleichzeitige Vertretung von Vor- und Nacherben zulässig, wenn es sich um die Vornahme eines Rechtsgeschäfts zwischen den Vor- und Nacherben handele.[32]

 

Rz. 32

Diese Rechtsansicht ist fraglich, denn der Bevollmächtigte, der von einer transmortalen Vollmacht Gebrauch macht, unterliegt schließlich nur den Verfügungsbeschränkungen, die der Erblasser selbst veranlasst hat.[33] Die erteilte Generalvollmacht kann man in diesen Fällen so verstehen, dass es dem Erblasser wohl darauf angekommen ist, dass er transmortal vollständig vertreten werden kann, sodass also auch die Vertretung der Nacherben durch den Bevollmächtigten möglich ist.

 

Rz. 33

Der Bevollmächtigte vertritt in diesen Fällen nur gleichzeitig und nebeneinander zwei unterschiedliche Personen. Er gibt hier lediglich gemeinschaftliche Erklärungen ab, sodass es sich nicht um einen Fall des § 181 BGB handelt. In der transmortalen Vollmacht zur Vertretung des Vorerben steckt auch eine postmortale Vollmacht zur Vertretung der Nacherben. Folgt man diesem Ansatz, ist das Urteil des OLG München unzutreffend.

Das OLG Stuttgart[34] hat demgegenüber die Handlung des transmortal Bevollmächtigten zugelassen und gemeint, dass der von dem Erblasser trans- oder postmortal bevollmächtigte Vorerbe auch den Nacherben wirksam vertreten kann.

Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Problemkreis liegt nicht vor, sodass man derzeit noch nicht sicher prognostizieren kann, welche Auffassung sich durchsetzt.

 

Praxistipp

Der Erblasser, der eine Vorsorgevollmacht erteilt, gleichzeitig aber den Bevollmächtigten zum Vorerben berufen möchte, sollte sich bei Erteilung der Vollmacht darüber klar werden, welche Befugnisse sein Bevollmächtigter nach dem Erbfall in der Rolle des Vorerben haben soll.[35] Es kann sich hier empfehlen, in der Vorsorgevollmacht explizit zu regeln, ob der Bevollmächtigte auch für die Nacherben handeln darf oder – was näherliegt – angeordnet wird, dass die transmortale Vollmacht nicht auch die Vertretung der Nacherben erfasst.

[31] OLG München ZEV 2019, 533.
[32] OLG Stuttgart ZEV 2019, 531
[33] Muscheler, ZEV 2019, 532.
[35] So auch Kollmeyer, ZEV 2019, 535.

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