Rz. 42

Bei dem Widerruf der Vollmacht ist zunächst das zugrundeliegende Rechtsgeschäft zu prüfen. Liegt ein Auftrag vor, ist von einer freien Widerruflichkeit auszugehen (§§ 671 Abs. 1, 168 BGB). Fehlt es an einem Grundgeschäft, liegt also eine so genannte isolierte Vollmacht vor,[38] ist ebenfalls grundsätzlich eine Widerruflichkeit anzunehmen. Nach dem Erbfall können die Erben, bei einer Mehrheit von Erben jeder einzelne Erbe für sich, widerrufen.[39] Anderer Ansicht ist Madaus,[40] der sich dafür ausspricht, dass alle Erben gemeinschaftlich widerrufen müssen. Wenn bei einer bestehenden Erbengemeinschaft nur ein einziger Erbe widerruft, beschränkt sich die Wirkung ebenfalls nur auf seine Person. Daher könnte ein solcher Erbe nicht die Rückgabe der Vollmachtsurkunde verlangen, sondern lediglich die Eintragung eines entsprechenden beschränkenden Widerrufvermerks.[41] Auch der eingesetzte Testamentsvollstrecker dürfte die Vollmacht kraft Amtes widerrufen, soweit seine Rechte nicht etwa nach § 2208 Abs. 1 BGB vom Erblasser beschränkt worden sind.[42] Es kann sich sogar die Notwendigkeit ergeben, im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung nach § 2216 BGB diese Vollmacht zu widerrufen.[43]

 

Rz. 43

Ob der Testamentsvollstrecker in seinen Rechten nach § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB tatsächlich beschränkt ist oder nicht, er also die zur Diskussion stehende Vollmacht wirklich widerrufen darf oder nicht, kann streitig sein. So wird angenommen, dass eine solche Beschränkung vorliegt, wenn der Erblasser dem Bevollmächtigten eine Spezialvollmacht erteilt hat.[44] Letztlich könnten auch ein Nachlassverwalter oder ein Nachlasspfleger die Vollmacht widerrufen.[45]

 

Rz. 44

Ebenfalls kann umstritten sein, ob in einer bestimmten Handlung tatsächlich der Widerruf einer Vollmacht zu erblicken ist. Häufig genug hat der Erbe von einer vom Erblasser erteilten Vollmacht keine Kenntnis. Dann könnte man durch schlüssiges Handeln des Erben an den Widerruf einer Vollmacht denken, allerdings ist der BGH hier der Auffassung, dass bei fehlender Kenntnis der Vollmacht kein entsprechendes Erklärungsbewusstsein des Erben angenommen werden könne, so dass sein Handeln unter keinem Gesichtspunkt als Widerruf der Vollmacht ausgelegt werden kann.[46]

 

Rz. 45

Derartige Erkenntnisse können sich häufig erst bei Bankgeschäften ergeben, wenn etwa der Erbe über vorhandenes Guthaben verfügen will und bei der Bank entsprechende Bankvollmachten für eine dritte Person vorliegen. Dazu ist allerdings angenommen worden, dass eine Bank nicht verpflichtet ist, den Erben in diesen Fällen auf das Bestehen der Vollmacht hinzuweisen, es sei denn, es liegen Bedenken im Sinne eines Vollmachtsmissbrauchs vor.[47] Wenn sich also der Erbe gegenüber der Bank als solcher zu erkennen gibt und sich für die Bank ein Interessenkonflikt zwischen dem Bevollmächtigten und dem Erben ergibt, wird hier nicht einmal eine Hinweispflicht angenommen. Ein Erbe sollte also vorsichtshalber alle vom Erblasser erteilten Vollmachten gegenüber der Bank widerrufen.

[38] Bengel/Reimann/Dietz, § 1 Rn 43.
[39] Palandt/Weidlich, vor § 2197 Rn 13.
[40] Madaus, ZEV 2004, 448.
[41] BGH NJW 1990, 507; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, Rn 8.
[42] Mayer/Bonefeld/Mayer, Testamentsvollstreckung, § 15 Rn 13.
[43] Staudinger/Reimann, vor § 2197 Rn 73.
[44] Winkler, Der Testamentsvollstrecker, Rn 10.
[45] Staudinger/Schilken, § 168 Rn 34.
[47] BGH NJW 1995, 260.

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