Rz. 1854

Die gesetzliche Definition des sich rechtmäßig verhaltenden Verleihers als alleinigem Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers erforderte auf der Ebene des Betriebsverfassungsrechtes eine gesonderte Klarstellung, ob und wenn ja, welche Rechte der Leiharbeitnehmer im Betrieb des Entleihers genießt. Z.T. regelt dies § 14 AÜG. Zusätzliche Fragen wurden von der Rspr. beantwortet. Im Einzelnen gilt das Folgende:

 

Rz. 1855

Der Leiharbeitnehmer ist und bleibt auch während seines Einsatzes beim Entleiher betriebsverfassungsrechtlich Angehöriger des Verleihbetriebes (§ 14 Abs. 1 AÜG). Er hat dort das aktive und passive Wahlrecht zum Betriebsrat. Dessen Mitbestimmungsrechte insb. nach den §§ 99, 102 BetrVG erstrecken sich auch auf Leiharbeitnehmer. Die Zugehörigkeit zum Verleiherbetrieb bleibt auch bestehen, wenn Leiharbeitnehmer an einen ausländischen Entleiher zur Arbeitsleistung in einem ausländischen Betrieb überlassen werden (BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18).

 

Rz. 1856

Der Einsatz eines Leiharbeitnehmers gilt im Entleiherbetrieb als Einstellung gem. § 99 BetrVG, trotz der insoweit missverständlichen Verwendung des Wortes "Übernahme" in § 14 Abs. 3 AÜG (BAG v. 23.1.2008 – 1 ABR 74/06; BAG v. 1.6.2011 – 1 ABR 117/09, 138/09 und 18/10; LAG Bremen v. 11.3.2010 – 3 TaBV 24/09; LAG Berlin-Brandenburg v. 5.12.2019 – 21 TaBV 489/19; ebenso BVerwG v. 7.4.2010 – 6 P 6/09). Gleiches gilt, wenn ein Leiharbeitnehmer anstelle eines Schwerbehinderten unter Verstoß gegen § 164 Abs. 1 SGB IX eingestellt werden soll (BAG v. 23.6.2010 – 7 ABR 3/09). Kein Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat, wenn der Entleiher dessen Zustimmung generell zum zukünftigen, noch nicht näher konkretisierten Einsatz von Leiharbeitnehmern aus einem "Stellenpool" begehrt (BAG v. 23.1.2008 – 1 ABR 74/06, NZA 2008, 603). Die Aufnahme eines zur Erbringung von Pflegediensten in Einrichtungen eines Dritten verpflichteten Mitglieds in die DRK-Schwesternschaft ist dort mitbestimmungspflichtig (BAG v. 23.6.2010 – 7 ABR 1/09).

 

Rz. 1857

Der Entleiher-Betriebsrat kann seine Zustimmung zur Übernahme von Leiharbeitnehmern nur unter den in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründen verweigern. Untertarifliche Bezahlung als Verstoß gegen tarifliche Inhaltsnormen i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 TVG ist kein Verweigerungsgrund, ebenso wenig ein Verstoß gegen das equal pay Gebot nach den §§ 8 Abs. 1 S. 1, 9 Nr. 2 AÜG (vgl. dazu oben Rdn 1831), weil diese Verstöße der Einstellung als solcher nicht entgegenstehen (BAG v. 21.7.2009 – 1 ABR 35/08). Dem Betriebsrat ist deshalb auch nicht die Höhe des Entgelts der Stammbelegschaft und der einzusetzenden Leiharbeitnehmer mitzuteilen (BAG v. 1.6.2011 – 7 ABR 117/09). Wohl aber muss der Name mitgeteilt werden (BAG v. 9.3.2011 – 7 ABR 137/09, Tz. 29). Ein Zustimmungsverweigerungsrecht besteht nach der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 10.7.2013 – 7 ABR 91/11) aber, wenn die Einstellung nicht nur vorübergehend im Sinne von § 1 S. 4 AÜG erfolgt (vgl. oben Rdn 1794).

 

Rz. 1858

Die Versetzung von Leiharbeitnehmern ist im Entleiherbetrieb gem. § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig (BAG v. 9.10.2013 – 7 ABR 13/12).

 

Rz. 1859

An einer "Einstellung" i.S.v. § 99 Abs. 1 BetrVG fehlt es, wenn der Einsatz der Arbeitskräfte nicht im Wege des Verleihs, sondern im Rahmen von selbstständigen Werk- oder Dienstverträgen erfolgt, sofern diese nicht so in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert werden, dass dieser die für eine weisungsgebundene Tätigkeit typischen Entscheidungen über deren Arbeitseinsatz auch nach Zeit und Ort zu treffen hat (BAG v. 13.12.2005 – 1 ABR 51/04).

 

Rz. 1860

Im Entleiherbetrieb steht dem Leiharbeitnehmer kein passives Wahlrecht zu (§ 14 Abs. 2 S. 1 AÜG). Dies gilt auch im Fall nicht gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung wie der Überlassung einer beim DRK-Kreisverband angestellten Hauspflegerin im Einsatz bei einer gemeinnützigen Sozialstation (BAG v. 17.2.2010 – 7 ABR 51/08; ebenso schon LAG Bremen v. 24.11.2009 – 1 TaBV 27/08). Wird der Leiharbeitnehmer im Anschluss an die Überlassung vom Entleiher direkt eingestellt, soll die vorherige Einsatzzeit auf die sechsmonatige Wartefrist zum Erreichen des passiven Wahlrechtes (§ 8 Abs. 1 S. 2 BetrVG) angerechnet werden (Schüren/Hamann, § 14 AÜG Rn 73; Fitting, § 8 BetrVG Rn 38). Diese Auffassung ist bedenklich. Gesetzlich geregelt ist dies nur für den Fall der vorherigen Betriebszugehörigkeit in einem anderen Konzernbetrieb (§ 8 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Aus dem bloßen Einsatz als Leiharbeitnehmer ergibt sich noch kein rechtlicher Bezug als Arbeitnehmer zum Entleiher (vgl. auch ErfK/Wank, § 14 AÜG Rn 7).

 

Rz. 1861

Seit 2001 hat der Leiharbeitnehmer das aktive Wahlrecht im Entleiherbetrieb, wenn er dort länger als drei Monate eingesetzt ist (§ 7 S. 2 BetrVG). Dieses Wahlrecht soll schon ab dem ersten Einsatztag bestehen, wenn der Einsatz für länger als drei Monate geplant wird, also nicht erst nach Ablauf der drei Monate (ErfK/Wank, § 14 AÜG Rn 6; Fitting, § 7 BetrVG Rn 60). Nach Schüren/Hama...

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