Rz. 1852

Als ein Relikt aus der Zeit, in der das dem Staat vorbehaltene Arbeitsvermittlungsmonopol noch verfassungsrechtlich sanktioniert war, ist heute die ohnehin ungewöhnliche Vorschrift des § 1 Abs. 2 AÜG zu werten. Hiernach wird (nach zutreffender Auffassung widerleglich, vgl. z.B. BAG v. 21.3.1990 – 7 AZR 198/89) vermutet, dass ein Verleiher unerlaubte Arbeitsvermittlung betreibt, wenn er Dritten Arbeitnehmer überlässt, ohne für sie die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisikos zu übernehmen (Verstoß gegen die gewerberechtlichen Erlaubnisvorschriften des § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AÜG). Arbeitsvermittlung bedeutet hier Vermittlung (durch den Verleiher) des Leiharbeitnehmers in ein direktes Arbeitsverhältnis zum Dritten (Entleiher). Das Gesetz geht unter den genannten Voraussetzungen von einem Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher selbst dann aus, wenn die Parteien dieses Dreiecksverhältnisses als solches gar nicht beabsichtigt haben. Nach Wegfall des bis zum 31.3.1997 geltenden § 13 AÜG bestätigte das BAG, dass bei Verstoß gegen die nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG a.F. zulässige Überlassungsdauer kein Arbeitsverhältnis zum Entleiher entstand (BAG v. 28.6.2000 – 7 AZR 100/99); das Schweigen des Gesetzgebers spreche dafür, dass er nicht regeln wollte, dass bei unzulässiger Arbeitnehmerüberlassung (z.B. in Betriebe des Baugewerbes) ein direktes Arbeitsverhältnis zum Entleiher zustande kommt (BAG v. 13.12.2006 – 10 AZR 674/05).

 

Rz. 1853

Heute steht § 1 Abs. 2 AÜG völlig isoliert da, nachdem die Vorschrift des § 291 SGB III, wonach private Arbeitsvermittlung nur mit besonderer Erlaubnis zugelassen war, aufgehoben worden ist. Gleichwohl halten Schüren/Hamann (§ 1 Rn 514 ff.) die Regelung der Vermittlungsvermutung noch immer nicht für funktionslos.

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