Rz. 807

Überlässt ein Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer einer GmbH im Wege der Selbstüberlassung sich selbst an ein Unternehmen, für das er sodann in weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit tätig wird, stellt sich die Frage nach einem möglichen Rechtsmissbrauch. Der Verdacht rechtsmissbräuchlicher Gestaltung liegt nahe, wenn es sich bei dieser Form der Gestaltung zum einen um eine reine "Ein-Mann-GmbH" des Gesellschaftergeschäftsführers handelt, und sich zum anderen die alleinige Geschäftstätigkeit der GmbH im Wesentlichen auf die Überlassung dieses einen Gesellschafter-Geschäftsführers konzentriert (vgl. ebenso Kothe-Hegemann, Kommentar zu BAG v. 17.1.2017 – 9 AZR 76/16, in GmbHR 2017, 748 ff.; Mauer, Kurzkommentar zu BAG v. 17.1.2017 – 9 AZR 76/16, EWIR 2017, 381 ff.). Dies gilt insbesondere, wenn der Geschäftsführer zuvor bereits für das Unternehmen (= jetzt für den Kunden) als Arbeitnehmer aufgrund eines Arbeitsvertrages (oder als "freier" Mitarbeiter aufgrund eines (Schein-) Dienst- oder Werkvertrages) tätig war und sich an der Tätigkeit nichts ändert. Dann ist und bleibt er Arbeitnehmer des Unternehmens. Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn der Gesellschaftergeschäftsführer mehrere Arbeitnehmer beschäftigt und diese Arbeitnehmer einschließlich sich selbst im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung mit einer Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 AÜG überlässt. In diesem Fall sieht das BAG – ohne Hinzutreten weiterer Umstände – keinen Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs (vgl. BAG v. 17. 1. 2017 – 9 AZR 76/16; zu Recht kritisch Hamann, jurisPR-ArbR 27/2017 Anm. 2). Die Entscheidung des BAG dürfte sich auf einen (seltenen) Sonderfall beschränken. Denn es ist unübersehbar, dass die "Konstruktion" im BAG-Fall im Kern dem Zweck diente, die Rechtsfolge eines Arbeitsverhältnisses zum Auftraggeber zu vermeiden. Dies war gerade der Sinn der von dem Auftraggeber initiierten Arbeitnehmerüberlassungskonstruktion. Zu Recht war daher die Vorinstanz zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Ein-Mann-Gesellschaftergeschäftsführer und dem Auftraggeber zustande gekommen war (vgl. LAG Kiel v. 1.12.2015 – 1 Sa 439 b/14); vgl. Rittweger, NZA 2022, 593, 594, 595 und Rittweger, NJW 2022, 2439, 2441 zu den Risiken einer zwischengestalteten Ein-Personen-UG im Sozialversicherungsrecht, sowie unten Rdn 900 ff., 906, 908, 950.

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