Rz. 1480

Zu den Nebenpflichten des Arbeitgebers gehören insb. die Informationspflicht über alle Umstände, die für die Gestaltung, Durchführung und den Erfolg der Tätigkeit der angestellten Vertriebskraft von Bedeutung sind oder nach objektiven Gesichtspunkten bedeutungsvoll sein können und die Überlassung von solchen Unterlagen und Materialien, die der Arbeitnehmer zur Ausübung der vertraglich geschuldeten Vertriebstätigkeit benötigt. Eine solche Pflicht besteht im Arbeitsverhältnis mit einer gegen Provision angestellten Vertriebskraft etwa darin, diese mit dem erforderlichen Werbematerial und den Arbeitsgrundlagen zu versorgen, sodass sie in der Lage ist, die vom Arbeitgeber gewünschten Abschlüsse sachgerecht zu tätigen (vgl. BAG v. 7.8.2002, AP Nr. 81 zu § 315 BGB = EversOK Ls. 8). Die Pflicht des Arbeitgebers, der angestellten Vertriebskraft die zur Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, wird aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gefolgert (Küstner/Thume/Castelletti, HdB-VertR, Bd. III, Kap. 4 Rn 17). Diese Fürsorgepflicht ist im Grundsatz nicht abdingbar (MüKo/Thüsing, § 59 HGB Rn 409). Die zwingende Ausgestaltung der für den Handelsvertreter geltenden Vorschrift des § 86a HGB spricht jedoch dafür, diese Norm analog auf angestellte Vertriebskräfte anzuwenden. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn Handlungsgehilfen auf Provisionsbasis tätig sind und sie weder ein garantiertes Einkommen noch einen Anspruch auf Aufwendungsersatz haben (BAG v. 14.11.1966 – 3 AZR 158/66, EversOK Ls. 50; a.A. MüKo/Thüsing, § 65 Rn 4). Zu den Unterlagen gehört alles, was der Arbeitnehmer zur Ausübung der vertraglich geschuldeten Vertriebstätigkeit benötigt. Um was es sich hierbei jeweils handelt, ist eine Frage des Einzelfalls (Küstner/Thume/Castelletti, HdB-VertR, Bd. III, Kap. 4 Rn 17). Als Unterlage i.S.d. § 86a Abs. 1 HGB kann auch (Vertriebs-)Software einzustufen sein (BGH v. 17.11.2016 – VII ZR 6/16, EversOK Ls. 7). Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Fürsorgepflicht ist ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB, dessen Umfang sich nach den §§ 249 ff. BGB richtet (MüKo/Thüsing, § 59 HGB Rn 410). Aus der Fürsorgepflicht folgt weder eine Verpflichtung des Arbeitgebers, der angestellten Vertriebskraft Internetleads oder sonstiges Adressmaterial potenzieller Abnehmer, das er durch Einsatz eigener Mitarbeiter oder von Adresshändlern gegen Entgelt beschafft hat, zu überlassen (vgl. BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 769/10, EversOK Ls.; LAG München v. 11.11.2010 – 11 Sa 7/10, EversOK Ls.), noch muss der Arbeitgeber der angestellten Vertriebskraft Termine zur Verfügung stellen (BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 97/11, EversOK Ls.; LAG München v. 7.10.2010 – 2 Sa 1208/09,– EversOK Ls.). Die Suche nach neuen Kunden und die Vereinbarung entsprechender Termine gehören ebenso zu den Kernaufgaben des Handlungsgehilfen wie des Handelsvertreters. Internetleads sind daher auch keine Unterlagen, die in direkter oder entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 86a Abs. 1 HGB unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden müssten (vgl. OLG Brandenburg v. 10.1.2013 – 5 U 54/11, EversOK Ls.; LG Verden v. 11.1.2012 – 8 O 352/10, EversOK Ls.; LG Hamburg v. 26.7.2011 – 304 O 353/10, EversOK Ls.; LG Münster v. 14.3.2011 – 015 O 278/10, EversOK Ls. 24; a.A. LG Hannover v. 6.3.2012 – 2 O 32/11, EversOK Ls.). Selbst dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Leads zur Verfügung stellt, besteht bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit keine Verpflichtung an der überwiegenden Aufrechterhaltung dieses Vorgehens (BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 769/10, EversOK Ls.; LAG München v. 11.11.2010 – 11 Sa 7/10, EversOK Ls. 1). Ungeachtet dessen kann dem angestellten Vermittler ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Arbeitgeber zustehen, wenn er in seinem Eigentum stehende Räumlichkeiten im Interesse des Arbeitgebers nutzt, um seine Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber zu erfüllen (BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 657/02, EversOK Ls.).

Eine besondere Ausprägung der Nebenpflichten sind die gesetzlichen Schutzpflichten (ErfK/Preis, BGB, § 611a Rn 618 ff.). So muss der Arbeitgeber gem. § 618 BGB und § 62 HGB das Leben und die Gesundheit des Arbeitnehmers schützen. Das bedeutet für den Arbeitgeber ggü. einer angestellten Vertriebskraft, dass sich die dieser zur Verfügung gestellten technischen Gerätschaften, die sie zur Ausübung ihrer Reise- und Vermittlungstätigkeit benötigt, insb. das dienstliche Kfz oder das für ein Büro oder zur Lagerhaltung benötigte Material, in einem einwandfreien und verkehrssicheren Zustand befinden müssen. Verletzt der Arbeitgeber diese Pflichten, kann er sich gem. § 618 Abs. 3 BGB oder § 62 Abs. 3 HGB schadensersatzpflichtig machen.

 

Rz. 1481

Die Informationspflicht bezieht sich insb. auf Änderungen, Weiterentwicklungen oder Erweiterungen bzw. Beschränkungen der von der angestellten Vertriebskraft zu vermittelnden Produkte und auf Informationen über Besonderheiten, die bzgl. des Umfanges der Vermittlungstätigkei...

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