Rz. 1464

Gem. § 611 BGB ist derjenige, der die Verrichtung von Diensten zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste verpflichtet. Gem. § 613 S. 1 BGB hat der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste im Zweifel in Person zu leisten.

 

Rz. 1465

Geschuldet ist das vertraglich Vereinbarte. Der Arbeitgeber ist aber innerhalb bestimmter Grenzen dazu befugt, dem Arbeitnehmer Weisungen hinsichtlich der Erfüllung seiner Arbeitspflichten zu erteilen und so die einzelnen Aufgaben einseitig zu konkretisieren (Hanau/Adomeit, G. I. 1, S. 185). Der Arbeitgeber kann die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebenen Pflichten des Arbeitnehmers nach Zeit, Ort und Art der Leistung näher bestimmen (BAG v. 9.3.2005, AP Nr. 167 zu § 611; BAG v. 28.10.1999, juris Rn 29 m.w.N.; BAG v. 25.10.1989, AP Nr. 36 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zum Direktionsrecht allgemein vgl. MüKo/Glöge, § 611 BGB Rn 1016 ff.). Er kann sich aber vertraglich auch ein umfassendes Weisungsrecht vorbehalten, sodass er die Aufgaben des Arbeitnehmers grundsätzlich mittels einer Weisung einseitig ändern kann (BAG v. 27.3.1980, AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht m. Anm. Löwisch).

 

Praxistipp

Der Vertrag sollte eine Klausel enthalten, die es dem Arbeitgeber ausdrücklich gestattet, die der angestellten Vertriebskraft rahmenmäßig übertragenen Aufgaben nach billigem Ermessen zu ändern.

 

Rz. 1466

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers wird generell durch die gesetzlichen Regelungen begrenzt (BAG v. 27.3.1980, AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht m. Anm. Löwisch). Eventuelle Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates (z.B. aus §§ 87 Abs. 1, 99 BetrVG; vgl. LAG Hamm v. 11.5.1979, DB 1979, 2042; LAG Hamm v. 18.8.1978, DB 1979, 2042; LAG Köln v. 24.10.1989, NZA 1990, 534) dürfen hierbei ebenfalls nicht übersehen werden (MüKo/Glöge, § 611 BGB Rn 1020). Außerdem muss eine an sich zulässige Weisung nach § 106 GewO einer Billigkeitskontrolle i.R.d. § 315 BGB standhalten, d.h. sie muss unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen angemessen sein (BAG v. 20.11.1984, AP Nr. 27 zu § 611 BGB Direktionsrecht).Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt daher eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Dabei sind in die Abwägung alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG v. 26.9.2012 – 10 AZR 416/11, juris Rn 33). Danach ist etwa eine Gebietsverkleinerung oder -änderung nur dann zulässig, wenn das bisherige Tätigkeitsfeld und die bisherige Einkommenssituation nicht erheblich verändert werden (Hunold, Subunternehmen und freie Mitarbeiter, C I 1, S. 24). Ebenso soll der Arbeitgeber berechtigt sein, der angestellten Vertriebskraft, der es über einen längeren Zeitraum nicht gelingt, einen Bestandskunden zur Erteilung von Aufträgen zu bewegen, den Bestandskunden zu entziehen und ihm anstelle dessen einen Neukunden zuzuordnen, wenn die Vertriebskraft eine hohe Fixvergütung erhält (LAG Köln v. 31.1.2022 – 2 Sa 486/21, EversOK Ls. 4). Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs der angestellten Vertriebskraft kann nur einvernehmlich herbeigeführt werden (BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NJW 2011, 329). An eine unbillige Weisung des Arbeitgebers ist der Arbeitnehmer nicht gebunden. Unbillige Weisungen sind rechtsunwirksam und daher unverbindlich (BAG v. 14.6.2017 – 10 AZR 330/16 (A), juris Rn 58; a.A. BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, NJW 2012, 2605, wonach sich der Arbeitnehmer nicht über eine unbillige Ausübung des Direktionsrechts hinwegsetzen darf, sofern diese nicht aus anderen Gründen unwirksam ist, sondern sich entsprechend § 315 Abs. 3 S. 2 BGB gerichtlicher Hilfe bedienen muss).

 

Rz. 1467

Aus der Natur des mit einer Vertriebskraft geschlossenen Anstellungsvertrags ergibt sich, dass die zu leistenden Dienste wie auch die eines Handelsvertreters charakteristisch in der Vermittlung bzw. dem Abschluss von Geschäften im Namen und auf Rechnung des zu vertretenden Unternehmers zu sehen sind (Küstner/Thume/Castelletti, HdB-VertR, Bd. III, Kap. 3 Rn 4). Zur Erfüllung dieser Pflichten hat der Arbeitnehmer Kunden aufzusuchen, Verkaufsgespräche zu führen und die Produkte des Unternehmers werbend vorzustellen (ArbG Göttingen v. 1.10.1999 – 4 Ca 623/99, EversOK Ls.; ArbG Bamberg v. 8.11.1994, NZA 1995, 864). Da die angestellte Vertriebskraft das Pendant zum Handelsvertreter darstellt, gelten die für den Handelsvertreter aus der Bemühungspflicht und der Interessenwahrnehmungspflicht abgeleiteten Pflichten erst recht für sie. Sie muss daher den bestehenden Kundenstamm betreuen und versuchen, neue Kunden...

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