Rz. 1604

Sondervergütungen sind arbeitgeberseitige Leistungen, die dieser zusätzlich zum laufenden Entgelt erbringt und die nicht in jedem Abrechnungszeitraum fällig werden. Hierzu gehören insbesondere Gratifikationen, 13. Monatsgehalt, Jahresabschlussvergütung, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendungen (ErfK/Preis, § 611a BGB Rn 527). Sondervergütungen können ebenfalls wirksam unter dem Vorbehalt ausgezahlt werden, dass diese zurückzuzahlen sind, wenn die angestellte Vertriebskraft das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist kündigt. Sofern entsprechende Regelungen arbeitgeberseitig vorformuliert sind, müssen sie einer entsprechenden Wirksamkeits- bzw. Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB standhalten. Rückzahlungsvorbehalte dürfen den Arbeitnehmer insbesondere nicht in unzulässiger Weise in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 GG) behindern (Schaub/Linck, ArbRHdB, § 78 Rn 43).

 

Rz. 1605

Ob eine Rückzahlungsverpflichtung in Gestalt einer AGB wirksam vereinbart werden kann, hängt zunächst u.a. maßgeblich von dem Zweck der Zahlung der Sondervergütung ab.

a) Um eine Sondervergütung mit "reinem Entgeltcharakter" handelt es sich, wenn diese einen Vergütungsbestandteil darstellt, der in das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung (§ 611 Abs. 1 BGB) eingebunden ist und kein weiterer Zweck verfolgt wird als die Entlohnung tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung. Diese Art von Sonderzahlung wird als Vergütungsbestandteil in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient, jedoch aufgespart und dann erst am vereinbarten Fälligkeitstag ausbezahlt. Die Ansprüche auf Sonderzahlung mit "reinem Entgeltcharakter" entstehen daher zeitanteilig, werden allerdings erst am vereinbarten Auszahlungstermin fällig (BAG v. 11.10.1995 – 10 AZR 984/94 = NZA 1996, 432). Der Anspruch auf Sonderzahlung besteht in voller Höhe, wenn das Arbeitsverhältnis nicht vor Ablauf des Bezugszeitraums endet.

Eine Rückzahlungspflicht ist bei Sondervergütungen mit "reinem Entgeltcharakter" ausgeschlossen, weil der Arbeitnehmer bereits diese ausschließlich von der Arbeitsleistung abhängige Sonderzuwendung durch seine bereits erbrachte Arbeitsleistung verdient hat und durch den Entzug eines bereits verdienten Lohnanteils bestraft würde (BAG v. 13.9.1974, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 84; BAG v. 12.4.2011, NZA 2011, 989; BAG v. 7.6.2011, NZA 2011, 1234; BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561). Allerdings darf der Anspruch auf eine Sonderzahlung von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses im gesamten Geschäftsjahr abhängig gemacht werden (BAG v. 6.5.2009, NZA 2009, 783).

b) Eine Sondervergütung mit Mischcharakter, die (auch) Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung und gleichzeitig für erbrachte Betriebstreue darstellt, kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, abhängig gemacht werden (BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, juris Rn 22). Eine solche Regelung würde im Widerspruch zu § 611 BGB stehen, weil sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entzieht und ihm unzulässig die Ausübung des Kündigungsrechts erschwert (BAG v. 18.1.2012 NZA 2012, 561; BAG v. 13.11.2013 NZA 2014, 368). In der Regel kann die Gewährung einer arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlung auch nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31.12. des laufenden Jahres abhängig gemacht werden (BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, juris Rn 15), sondern ist im Fall der Beendigung zeitanteilig zu gewähren (BAG v. 13.11.2013 NZA 2014, 368).

Bei in Gestalt von AGB vereinbarten Rückzahlungsvorbehalten zu Weihnachtsgratifikationen sind hinsichtlich deren Rückforderung sog. Grenzwerte einzuhalten. Werden diese überschritten, liegt grds. eine unzulässige Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit vor (§ 307 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) vor (BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, EversOK Ls. 34).

Rückzahlungsvorbehalte bei Weihnachtsgratifikationen bis zu einem Betrag von 100,00 EUR sind grds. unwirksam (Schaub/Linck, ArbRHdB, § 78 Rn 48).
Eine am Jahresende gezahlte Zuwendung, die über 100,00 EUR, aber unter einem Monatsbezug liegt, kann den Arbeitnehmer bis zum 31. März des Folgejahres binden. Nur wenn die Zuwendung einen Monatsbezug erreicht, ist eine Bindung des Arbeitnehmers über diesen Termin hinaus zulässig (BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, EversOK Ls. 35).
Erhält ein Arbeitnehmer eine Gratifikation, die ein zweifaches Monatsgehalt nicht erreicht, so kann er durch eine Rückzahlungsklausel jedenfalls dann nicht über den 30. Juni des folgenden Jahres gebunden werden, wenn er bis dahin mehrere Kündigungsmöglichkeiten hatte (BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, EversOK Ls. 36).

Ist eine Bindungsfrist in AGB zu lang bestimmt, ist diese unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass nur die zu lange Bindungsdauer unwirksam ist und die übrige Gratifikationszusage wirksam bleibt (BAG v. 12.12.1962, AP...

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