Rz. 582

Die Abberufung von Vorstandsmitgliedern obliegt dem Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit. Die Zuständigkeit zur Abberufung kann nicht auf einen Aufsichtsratsausschuss übertragen werden (vgl. § 107 Abs. 3 S. 7 AktG i.V.m. § 84 Abs. 4 AktG). Die Abberufung muss durch förmlichen Beschluss erfolgen. Der entsprechende Beschluss (vgl. § 108 AktG) führt nicht unmittelbar zum Widerruf der Bestellung, sondern er bedarf der Bekanntgabe an den Abzuberufenden, dem eine entsprechende Willenserklärung gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zugehen muss. Das Handelsregister, welches die AG führt, wird hierbei nicht als Bote desjenigen tätig, der einen Eintragungsantrag stellt (vgl. OLG Frankfurt v. 7.7.2015 – 5 U 187/14). War die Abberufung unwirksam, bleibt das Vorstandsmitglied im Amt (vgl. zu Rechtsmitteln des Vorstandsmitglieds gegen seine Abberufung sowie zu den Auswirkungen von Verfahrensfehlern bei der Abberufung und bei unwirksam gewählten Aufsichtsrat, unten Rdn 682 ff.; vgl. zu einem etwaigen Beschäftigungsanspruch nach Abberufung unten Rdn 701 ff.

 

Rz. 583

Hingegen kann die Entscheidung über die Beendigung und Aufhebung des Dienstvertrages zwar grds. auf einen mindestens dreiköpfigen Aufsichtsratsausschuss übertragen werden (vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, § 84 AktG Rn 180 m.w.N.; BGH v. 23.10.1975, BGHZ 65, 190, 192 ff. = BB 1975, 1502). Allerdings ist eine bedeutsame Einschränkung durch das am 5.8.2009 in Kraft getretene VorstAG mit der Neufassung des § 107 Abs. 3 AktG zu berücksichtigen. Denn soweit die individuelle Vorstandsvergütung, bspw. durch eine im Aufhebungsvertrag geregelte Abfindung (vgl. zur sog. ablösenden Abfindung, Spindler/Stilz/Fleischer, § 87 AktG Rn 53) oder finanzielle Überbrückung oder Ruhegehaltszusage oder einen Sonderbonus, betroffen ist, entzieht sich die abschließende Entscheidung dem Ausschuss. Darüber hat seit der Neufassung des § 107 Abs. 3 AktG das Aufsichtsratsplenum abschießend zu befinden. Insofern ist ein ineinandergreifendes abgestuftes Procedere zu beachten (s. oben Rdn 569 ff.).

 

Rz. 584

Ferner darf der Ausschuss durch seine Tätigkeit nicht einer dem (Gesamt-) Aufsichtsrat vorbehaltenen Entscheidung über den Widerruf oder eine Erneuerung der Bestellung eines Vorstandsmitgliedes vorgreifen (vgl. BGH v. 24.10.1980, DB 1981, 308 = NJW 1981, 757).

 

Rz. 585

Die Zuständigkeit des Aufsichtsrates bzw. Aufsichtsratsausschusses ggü. dem Vorstandsmitglied zur Beendigung des Dienstvertrages bleibt auch dann gegeben, wenn die organschaftliche Abberufung zeitlich zuvor erfolgt ist. Es gilt der Grundsatz der Zuständigkeitskontinuität (vgl. Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Teil III Rn 48, S. 229 m.w.N.).

 

Rz. 586

Eine Zurückweisung einseitiger Erklärungen des AR-Vorsitzenden bei Abberufung und/oder Kündigung eines Vorstandsmitglieds einer AG gemäß § 174 S. 1 BGB scheidet aus, wenn der AR-Vorsitzende satzungsgemäß zur Abgabe von Erklärungen im Namen des Aufsichtsrats bevollmächtigt ist (vgl. OLG Düsseldorf v. 24.2.2012 – 1–16 U 177/10; vgl. ferner zu entsprechenden Formulierungsvorschlägen Reichard, GWR 2012, 506 ff., 509).

 

Rz. 587

 

Hinweis

1. Die wirksame Ermächtigung des AR-Vorsitzenden ist von erheblicher Praxisrelevanz. Denn der AR-Vorsitzende ist nicht schon kraft Gesetzes zur Abgabe der für die Umsetzung der Aufsichtsratsbeschlüsse notwendigen Erklärungen zuständig.
2. Sinnvoll ist eine Ermächtigung in der Satzung. Damit erübrigen sich jeweilige Ermächtigungen des AR-Vorsitzenden im Einzelfall, und das Risiko einer Zurückweisung seiner Erklärungen nach § 174 S. 1 BGB entfällt.
3. Sofern – wie üblich – für die Kündigung des Vorstandsvertrages die Schriftform vereinbart wurde, genügt dann die Unterschrift des AR-Vorsitzenden, soweit er als Vertreter handelt. Dies ist nach OLG Düsseldorf notwendig und ausreichend (vgl. OLG Düsseldorf v. 24.2.2012 – 1–16 U 177/10).
4. Wird die Variante "Bote" gewählt, sollte zur Wahrung der Schriftform und im Interesse einer Risikominimierung die Überreichung des von allen Aufsichtsräten unterzeichneten Beschlusses erfolgen.

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