Rz. 1578

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind Arbeitnehmer grundsätzlich frei, mit ihren ehemaligen Arbeitgebern in Wettbewerb zu treten oder für Konkurrenzunternehmen tätig zu werden (BAG v. 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, EversOK Ls. 7; LAG Köln v. 7.2.2017 – 12 Sa 745/16, EversOK Ls. 8). Dieses durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse der angestellten Vertriebskraft, über ihr berufliches Fortkommen selbst zu bestimmen, sieht das Gesetz dem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers, sich vor Nachteilen einer Konkurrenztätigkeit zu schützen, als übergeordnet an (BAG v. 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, EversOK Ls. 7). Ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht verabredet, haben Arbeitnehmer nur in den Grenzen der §§ 3 UWG, 823 Abs. 1, 826 BGB Wettbewerbsbeschränkungen zu beachten. Sie können ihre rechtmäßig erlangten beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen verwerten, zu ihren früheren Arbeitgebern in Wettbewerb treten und in den Kundenkreis der ehemaligen Arbeitgeber eindringen (BAG v. 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, DB 1994, 887, 888; Schaub/Vogelsang, ArbRHB, § 55 Rn 1).

 

Rz. 1579

Eine nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkung bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung nach Maßgabe der §§ 74 ff. HGB. Dabei ist eine bloße Verweisung in den Vertragsbestimmungen der Parteien auf die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB ausreichend (BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 407/05, EversOK Ls. 4). Übt der Arbeitgeber kein Handelsgewerbe aus, waren schon nach bisher herrschender Meinung die Vorschriften des §§ 74 ff. HGB entsprechend anzuwenden (BAG v. 13.9.1969, AP Nr. 24 zu § 611 BGB – Konkurrenzklausel). Dies ist nunmehr ausdrücklich in § 110 GewO gesetzlich geregelt.

 

Rz. 1580

Gem. § 74 Abs. 1 HGB i.V.m. § 126 Abs. 2 BGB bedarf die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots der Schriftform (BAG v. 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, EversOK Ls. 16) und der Aushändigung einer vom Arbeitgeber unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Arbeitnehmer (instruktiv hierzu BAG v. 14.7.2010, BAGE 135, 116). Enthält der von beiden Parteien unterzeichnete Arbeitsvertrag die vollständige Wettbewerbsvereinbarung einschließlich der Vereinbarung über die Zahlung einer Karenzentschädigung, ergibt sich aus der Urkunde der wesentliche Inhalt des der Schriftform unterliegenden Rechtsgeschäfts. Das reicht aus, um das Schriftformerfordernis des § 74 Abs. 1 HS 1 HGB zu wahren (BAG v. 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, juris Tz. 21). Ob dem Arbeitnehmer, wie von § 74 Abs. 1 HS 2 HGB verlangt, eine Originalurkunde des Arbeitsvertrags übergeben worden ist, ist für die Gültigkeit der Wettbewerbsabrede nicht von Belang (BAG v. 16.12.2021 – 8 AZR 498/20, EversOK Ls. 40). Bei der Regelung des § 74 Abs. 1 Hs. 2 HGB handelt es sich nicht um eine Formvorschrift i.S.d. § 125 S. 1 BGB, sondern um eine Dokumentationsregelung (BAG v. 16.12.2021 – 8 AZR 498/20, EversOK Ls. 41). Ist die für die Wettbewerbsabrede vorgeschriebene Schriftform gewahrt, hindert eine etwa unterbliebene Aushändigung der Urkunde den Arbeitnehmer nicht daran, sich auf das Wettbewerbsverbot zu berufen und bei dessen Einhaltung Karenzentschädigung zu verlangen (BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, BAGE 112, 376 unter A I 1 a der Gründe). Ein unter Verstoß gegen die gesetzliche Schriftform vereinbartes Wettbewerbsverbot ist nach § 125 BGB nichtig (BAG v. 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, EversOK Ls. 17). Auch ein auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gerichteter Vorvertrag muss schriftlich abgeschlossen werden (BAG v. 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, EversOK Ls. 18). Weitere Wirksamkeitsvoraussetzung eines solchen Wettbewerbsverbots ist gem. § 74 Abs. 2 HGB, dass sich der Arbeitgeber dazu verpflichtet, für die Dauer des Verbotes eine Entschädigung zu zahlen. Die Karenzentschädigung stellt die Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer übernommene Wettbewerbsbeschränkung dar (BAG v. 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, EversOK Ls. 3; BGH v. 19.12.1974 – VII ZR 2/74, EversOK Ls. 8 m.w.N.). Eine Beschränkung der gewerblichen Tätigkeit ist in allen Abreden zu sehen, durch die der Arbeitnehmer tatsächlich oder rechtlich in seiner nachvertraglichen gewerblichen Tätigkeit gehindert wird (BAG v. 26.2.1985, AP Nr. 30 zu § 611 BGB – Konkurrenzklausel; BAG v. 15.6.1993, DB 1994, 887, 888; LAG Bremen v. 25.2.1994, NZA 1994, 889; vgl. zu einem nachvertraglichen Abwerbeverbot in Bezug auf Mitarbeiter des Arbeitgebers z.B. OLG Oldenburg v. 28.12.1995 – 1 U 139/95, EversOK Ls. 2). An der Verbindlichkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots und der Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung ändert sich nichts, wenn der Arbeitnehmer subjektiv, etwa infolge längerer Arbeitsunfähigkeit, nicht in der Lage ist, eine Konkurrenztätigkeit aufzunehmen (LAG Köln v. 17.3.2011 – 6 Sa 1413/10, EversOK Ls. 1, 20). Ebenso wenig verstößt die Geltendmachung des Anspruchs auf Karenzentschädigung durch die angestellte Vertriebskraft unter diesen Umständen gegen Treu und Glauben gem. § 242 BGB (...

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