Rz. 120
Der Begriff des Tatbestands im Sinne von §§ 314, 529 ZPO geht dabei über den als Tatbestand überschriebenen Teil des Urteils hinaus. Vom materiellen Tatbestandsbegriff der ZPO werden vielmehr alle Tatsachenfeststellungen im Urteil umfasst, auch wenn sich diese in den Entscheidungsgründen befinden.[112]
Rz. 121
Dies bedeutet zugleich, dass auch Urteile, die keinen eigentlichen Tatbestand haben, sondern nur Entscheidungsgründe im Hinblick auf einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO geprüft werden müssen, wenn sich die tatsächlichen Feststellungen aus den Entscheidungsgründen ergeben, dort etwa festgehalten ist, dass eine bestimmte Tatsachenbehauptung nicht bestritten worden sei.[113]
Rz. 122
Macht das erstinstanzliche Gericht von der Möglichkeit des § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO Gebrauch und verweist
"wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die hiermit zu den Akten gereichten Urkunden sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung",
werden auch die dortigen Darlegungen Bestandteil des materiellen Tatbestands.[114]
Rz. 123
Eine Aufführung aller Schriftsätze mit dem Datum erscheint nicht erforderlich. Die erfassten Schriftsätze sind über die Gerichtsakte als Gesamturkunde ohne weiteres bestimmbar.
Rz. 124
Damit dürfte der Einwand, der Tatbestand sei lückenhaft, regelmäßig nicht durchgreifen und damit ein Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 ZPO nicht nur überflüssig, sondern auch unbegründet sein.
Rz. 125
Ergibt sich allerdings zwischen der Darstellung in den Schriftsätzen und der Darstellung in den Entscheidungsgründen eine Abweichung, so gilt der formelle Tatbestand des Urteils einschließlich der Entscheidungsgründe, so dass dann die Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO angezeigt sein kann.
Rz. 126
Hinweis
Der Wortlaut des § 320 ZPO schließt zunächst die Berichtigung von offensichtlichen Unrichtigkeiten aus. Diese sind nach § 319 ZPO mit einem Antrag auf Urteilsberichtigung zu verfolgen. Ebenso wenig können die Entscheidungsformel, d.h. der Tenor, oder die Entscheidungsgründe geändert werden.[115] Dies auch dann nicht, wenn durch die Berichtigung des Tatbestands der Entscheidung die (tatsächliche) Grundlage entzogen wird. Dies ist dann mit dem eigentlichen Rechtsmittel, insbesondere also der Berufung nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 und 3 ZPO geltend zu machen.
Rz. 127
Tipp
Ist der Bevollmächtigte im Zweifel, ob ein Tatbestandsberichtigungsantrag angezeigt ist, sollte er ihn unter Anwendung des Grundsatzes des sichersten Weges immer stellen. Wird der Antrag zu Unrecht zurückgewiesen, kann sich aus der Begründung ein konkreter Anhaltspunkt für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung in erster Instanz im Sinne von §§ 529 Abs. 1 Nr. 1 und 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO ergeben. Zugleich kann in der unberechtigten Zurückweisung ein Rechtsanwendungsfehler nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO liegen. Die diesbezüglichen Rügen stehen dem Bevollmächtigten dann für das Berufungsverfahren offen.
Rz. 128
Checkliste möglicher Tatbestandsberichtigungen
□ | Im Tatbestand wird eine bestrittene Tatsache als unstreitig dargestellt.[116] |
□ | Unstreitige Tatsachen werden als streitig dargestellt. |
□ | Eine vorgetragene Tatsache wird gänzlich übergangen. |
□ | Zeitabläufe werden mit unzutreffenden Daten wiedergegeben. |
□ | Abgegebene Erklärungen werden unzutreffenden Personen zugeordnet. |
□ | Ein vorgetragener Sachverhalt wird sinnentstellend wiedergegeben. |
□ | Die gestellten Anträge sind unzutreffend wiedergegeben.[117] |
Rz. 129
Hinweis
Sind die Anträge schon im Protokoll unzutreffend wiedergegeben, muss ein Antrag auf Berichtigung des Protokolls nach § 164 ZPO gestellt werden.
Aus der Tatbestandsberichtigung kann sich dann auch die Notwendigkeit eines Antrags auf Urteilsergänzung ergeben.[118]
Rz. 130
Der Bevollmächtigte muss mit seinem Tatbestandsberichtigungsantrag exakt bezeichnen, wo die unzutreffende Tatsachenfeststellung zu finden ist und aus welchem Schriftsatz und welcher dortigen Seite sich der Fehler ergibt.
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