1. Formanforderungen

 

Rz. 357

In § 9 Abs. 4 MB BUV 16/§ 6 Abs. 4 BUZ, wie auch in § 174 Abs. 1 VVG ist geregelt, dass die Leistungspflicht des Versicherers nachträglich nur entfallen kann, sofern er eine rechtwirksame schriftliche Änderungsmitteilung abgibt. Eine formell ordnungsgemäße Änderungsmitteilung ist für ein Erlöschen der Leistungspflicht des Versicherers in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung konstitutiv.[759] Die Mitteilung muss, um rechtswirksam zu sein, bestimmten Anforderungen genügen. Sind die formellen Anforderungen an die Mitteilung des Versicherers eingehalten, ist es nicht erforderlich, dass diese ausdrücklich als "Nachprüfungsentscheidung" im Sinne des § 174 VVG bezeichnet wird.[760]

 

Rz. 358

Sollte die Änderungsmitteilung nicht wirksam sein, bleibt der Versicherer zur Leistung verpflichtet, auch wenn tatsächlich eine bedingungsrelevante Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten ist[761] oder der Versicherungsnehmer neue Fähigkeiten erlangt hat, die bedingungsgemäß zu berücksichtigen wären. Die ordnungsgemäße Mitteilung kann jederzeit nachgeholt werden, sie hat jedoch keine Rückwirkung.[762] Bei formwirksamer Nachholung wirkt sie ex nunc, also ab dem Zeitpunkt des Zugangs.[763]

 

Rz. 359

Die Mitteilung an den Versicherungsnehmer, dass die zuvor bestehende Leistungspflicht wieder enden soll, muss der Versicherer auch dann abgeben, wenn er bestreitet, dass (irgendwann einmal) Berufsunfähigkeit eingetreten war, später in einem Rechtsstreit rückwirkend seine Leistungspflicht festgestellt wurde und diese zwischenzeitlich tatsächlich nicht mehr besteht.[764] Die Einstellungsmitteilung im Nachprüfungsverfahren kann nach gefestigter Rechtsprechung allerdings auch durch schriftsätzlichen Sachvortrag im Rahmen eines zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer geführten Rechtsstreits erfolgen; auch hier ist das Erfordernis der Textform i.S.v. § 174 Abs. 1 VVG gewahrt.[765]

[759] BGH NJW 1993, 1532; BGH, NJW-RR 1993, 725; OLG Karlsruhe VersR 2016, 978.
[762] BGH VersR 1996, 958; BGH VersR 2000, 171.
[764] BGH Beschl. V. 23.11.2016 – IV ZR 502/15; OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.4.2015 – 5 U 67/14.
[765] OLG Karlsruhe r+s 2015, 81 m.w.N.

2. Inhaltliche Anforderungen

 

Rz. 360

An den Inhalt der Änderungsmitteilung sind strenge Anforderungen zu stellen. Die Mitteilung muss eine für den Versicherungsnehmer nachvollziehbare Begründung enthalten, was sich seit dem ursprünglichen Anerkenntnis des Versicherers geändert hat und aus welchen Gründen die Leistungspflicht entfallen sein soll. Der Versicherungsnehmer muss aufgrund der Änderungsmitteilung abschätzen können, wie sein Prozessrisiko aussieht, wenn er die Leistungspflicht des Versicherers gerichtlich durchsetzen will. Die Mitteilung muss vor allem eine vergleichende Betrachtung der aus der Sicht des Versicherers maßgeblichen Umstände enthalten, die sich einerseits auf den Zeitpunkt des früheren Anerkenntnisses bezieht und andererseits auf den Zeitpunkt der Einstellung der Leistungspflicht.[766] Dies ist für den Versicherer auch nicht unbillig, da er sich aufgrund der sehr weitreichenden Mitwirkungspflicht des Versicherten die erforderlichen konkreten und detaillierten Informationen, die er für eine Änderungsmitteilung benötigt, beschaffen kann.[767]

 

Rz. 361

Naturgemäß ist jedoch die inhaltliche Richtigkeit der Ausführungen des Versicherers keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung; ebenso wenig die eines in Bezug genommenen Gutachtens.[768] Der Versicherer muss lediglich aufzeigen, wovon er selbst ausgeht.

 

Rz. 362

Erforderlich ist grundsätzlich weiter, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der materiellen Anspruchsvoraussetzungen in der Änderungsmitteilung zutreffend angegeben wird. Hierbei soll jedoch bei allmählichen Veränderungen eine Abweichung von einem Monat unschädlich sein.[769]

 

Rz. 363

Zu den Darlegungen in der Änderungsmitteilung, die nachvollziehbar sein müssen, gehören nicht nur die Verbesserung der gesundheitlichen Situation, sondern auch die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen für die Berufstätigkeit, also die Auswirkungen auf die beruflichen Tätigkeiten bzw. Möglichkeiten. Diesen Voraussetzungen entsprechen die Mitteilungen mitunter nicht.

[766] OLG Karlsruhe VersR 2010, 653; OLG München NJW-RR 2010, 1619; OLG Saarbrücken r+s 2010, 521; OLG Saarbrücken zfs 2015, 579; OLG Karlsruhe VersR 2016, 978.
[767] BGH NJW 1993, 1532; BGH NJW-RR 1993, 725.
[769] OLG Karlsruhe r+s 2015, 81: für die Verbesserung einer Depression.

a) Vergleich des Gesundheitszustands

 

Rz. 364

Inhaltlich nachvollziehbar ist die Änderungsmitteilung nur, wenn sie den früheren Gesundheitszustand, der zum Anerkenntnis führte, mit dem Gesundheitszustand vergleicht, der jetzt die Leistungspflicht entfallen lassen soll.[770] Die Mitteilung muss deshalb erkennen lassen, was sich verbessert haben soll.[771] Das Erfordernis der Aufzeigung eines konkreten Vergleichs gilt natürlich auch für evtl. neu erworbene Kenn...

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