Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Versicherer Leistungen wegen Berufsunfähigkeit versprochen, wenn die bedingungsgemäße berufliche Einschränkung voraussichtlich 6 Monate andauern wird, ist eine Klausel, die ihm in begründeten Einzelfällen eine Befristung seiner Leistungen für die Dauer von 12 Monaten erlaubt, unwirksam.

2. Ist eine zeitlich unbegrenzte Leistungspflicht nach allen dem Versicherer vorliegenden Unterlagen entstanden, kann der Versicherer kein befristetes Anerkenntnis mehr aussprechen und dadurch die Erstprüfung auf einen späteren Zeitpunkt hinausschieben.

3. Zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit "außervertraglicher Vereinbarungen."

 

Normenkette

VVG § 173

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 02.10.2014; Aktenzeichen 14 O 295/12)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 02.10.2014 - 14 O 295/12 -abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an die Klägerin 5.350 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2012 zu zahlen,

2. an die Klägerin weitere 456,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23.10.2012 zu zahlen.

II. Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 81 %, die Beklagte zu 19 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsgläubiger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsschuldner zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen. Berichtigt gem. Beschluss vom 2.6.2015

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.338,72 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte berechtigt gewesen ist, Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Versicherungsschein Nr. AAAAAAA-A vom 15.09.2009, Bl. 7 d.A.), die für den Zeitraum Januar 2011 bis einschließlich Dezember 2011 erbracht worden waren, ab Januar 2012 einzustellen.

Versicherungsbeginn des Vertrags war der 01.10.2009. Die versicherte Berufsunfähigkeitsrente beträgt monatlich 535 EUR, die monatlich geschuldete Versicherungsprämie belief sich auf 45,44 EUR für den Zeitraum Januar 2012 bis einschließlich September 2012 und auf 47,72 EUR ab Oktober 2012 (Bl. 3 d.A.).

Dem Vertrag liegen unter anderem die Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zu Grunde (im Folgenden: BBUZ, Bl. 32 d.A.). Sie lauten - auszugsweise - wie folgt:

"1.1 Wann liegt vollständige Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen vor?

1.1.1 Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung, Pflegebedürftigkeit oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, 6 Monate ununterbrochen außer Stande war oder voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außer Stande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben.

1.1.2. Die Verweisung auf eine andere Tätigkeit erfolgt nicht, es sei denn, die versicherte Person übt eine berufliche Tätigkeit konkret aus, die mit der bisherigen beruflichen Tätigkeit vergleichbar ist ...

[...]

2.4 Ab wann und an wen werden Leistungen gewährt?

Karenzzeit

2.4.1 Der Anspruch auf Leistungen entsteht mit Beginn des Kalendermonats nach Eintritt der Berufsunfähigkeit (= Beginn des sechsmonatigen Zeitraums gemäß Abschnitt 1.1.1) und Ablauf einer vereinbarten Karenzzeit.

[...]

2.5 Wann geben wir eine Erklärung zu unserer Leistungspflicht ab?

2.5.1 Während der Prüfung Ihres Anspruchs auf Leistung aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung werden wir Sie jeweils innerhalb von 4 Wochen nach Eingang von Unterlagen gemäß 3.1 über erforderliche weitere Prüfungsschritte informieren oder Ihnen regelmäßig eine Zwischeninformation zukommen lassen. Zusätzlich erinnern wir in regelmäßigen Abständen - spätestens alle 6 Wochen - an fehlende Unterlagen bzw. Informationen und setzen Sie darüber in Kenntnis.

2.5.2 Liegen uns alle Unterlagen und die von uns eingeholten Informationen (siehe 3.1.2) vor, erklären wir innerhalb von 4 Wochen, ob wir bis zum Ablauf der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (vergleiche 4.1) Leistungen anerkennen.

Befristetes Anerkenntnis

2.5.3 Grundsätzlich sprechen wir kein befristetes Anerkenntnis aus. In begründeten Einzelfällen können wir einmalig ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis bis zu 12 Monaten in Textform aussprechen.

2.5.4 Gründe für ein befristetes Anerkenntnis liegen z.B. vor, wenn für ein unbefristetes Leistungsanerkenntnis noch Erhebungen oder Untersuchungen oder deren Auswertung erforderlich sind oder aus medizinischen oder beruflichen bzw. betrieblichen Gründen [...] ein Ende der Berufsunfähigkeit zu erwarten ist.

2.5.5 Die Prüfung der Fortdauer der Berufsunfähigkeit bei befristetem Anerkennt...

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