Rz. 381

Nach § 16 Abs. 1 VVG a.F. waren alle Umstände gefahrerheblich, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers Einfluss auszuüben, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen. Auch nach § 19 Abs. 1 S. 1 VVG n.F. sind bekannte Gefahrumstände anzuzeigen, die für den Entschluss des Versicherers erheblich sind, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen; insoweit hat sich keine substantielle Änderung ergeben.

 

Rz. 382

Die Obliegenheit des Antragstellers zur Erfüllung der Anzeigepflicht knüpft nach altem wie neuem Recht an die Kenntnis des Antragstellers an. Hat dieser Kenntnis von gefahrerheblichen Umständen, insbesondere von ihm offenbarten ärztlichen Einschätzungen, ist er auch zur Anzeige verpflichtet. Die Prüfung und Bewertung der vom Versicherungsnehmer anzuzeigenden Umstände ist dann allein Sache des Versicherers.[809]

 

Rz. 383

Allerdings wird im Gegensatz zum früheren Recht die Anzeigepflicht auf Gefahrumstände begrenzt, nach denen der Versicherer ausdrücklich in Textform gefragt hat. Das Risiko einer Fehleinschätzung, ob ein Umstand gefahrrelevant ist, liegt also jetzt weit weniger beim Versicherungsnehmer.[810]

 

Rz. 384

Bereits nach altem VVG galt, dass der künftige Versicherungsnehmer die in einem Versicherungsantragsformular gestellte Frage nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden grundsätzlich erschöpfend zu beantworten hat. Jedoch müssen auch heute noch Fragen des Versicherers umfassend beantwortet werden. Es gibt indes nach neuem VVG keine gesetzliche Vermutung mehr für die Gefahrerheblichkeit der Umstände, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat.[811] Unter der Geltung des alten VVG gab es eine (widerlegliche) gesetzliche Vermutung für die Gefahrerheblichkeit der vom Versicherungsnehmer nachgefragten, jedoch verschwiegenen Umstände.[812] Der Versicherte muss demgemäß also nachweisen, dass die nachgefragten Umstände nicht gefahrerheblich waren.[813]

Nach der Gesetzesbegründung zum VVG 2008 spricht jedoch die Nachfrage nach einem bestimmten Umstand noch immer dafür, dass dieser Umstand für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich ist. Weiter muss er allerdings auch objektiv erheblich, d.h. von allgemeiner Relevanz sein, was ausdrücklich z.B. bei Nachfragen, die sich auf einen sehr lange zurückliegenden Zeitraum beziehen, in der Regel zu verneinen sein soll.[814]

[809] BGH VersR 2000, 1486; BGH VersR 1994, 711; LG Köln VersR 2012, 1108.
[810] BT-Drucks 16/3945, S. 64.
[811] Neuhaus, O, III, Rn 18.
[812] OLG Brandenburg NJW-RR 2014, 1501; OLG Hamm VersR 2016, 580; Neuhaus, O, III., Rn 19.
[813] Vgl. Armbrüster in: Prölss/Martin, § 19, Rn 5.
[814] BT-Drucks 16/3945, S. 64.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge