Rz. 21

Mit dem Eröffnungsbeschluss (vgl. Muster unter Rdn 149) geht die Verfügungsbefugnis und damit die Arbeitgeberfunktion automatisch auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO), es sei denn, die Eigenverwaltung wäre angeordnet. In diesem Fall hat der Verwalter nur eine Überwachungsfunktion mit eingeschränkten Befugnissen.[30] Gleichzeitig geht die Zuständigkeit des Richters gem. §§ 3 Nr. 2 lit. e), 18 Abs. 2 RPflG auf den Rechtspfleger über, eine Praxis, die noch aus der Zeit der Zerschlagung von Unternehmen stammt und dringend aufgegeben werden muss.[31]

 

Rz. 22

Der Eröffnungsbeschluss enthält folgende Fristen und Termine:

Frist zur Forderungsanmeldung,
Termin zur ersten Gläubigerversammlung (sog. "Berichtstermin"),
Termin zur Prüfung und Feststellung der angemeldeten Forderungen ("Prüftermin").
 

Rz. 23

Die Frist zur Forderungsanmeldung ist zwar keine Ausschlussfrist (§ 177 InsO). Stimm- und teilnahmeberechtigt in der ersten Gläubigerversammlung ist jedoch nur, wer vor diesem Termin eine Forderung zur Tabelle angemeldet hat und diese unbestritten ist (§ 77 InsO).

 

Rz. 24

Mit dem Eröffnungsbeschluss werden Gerichtsprozesse gem. § 240 ZPO kraft Gesetzes unterbrochen, bis eine der Parteien sie wieder aufnimmt. Verträge mit Ausnahme der im Gesetz genannten werden automatisch suspendiert. Es entsteht eine völlig neue Vermögensmasse, die streng zu separieren ist.

In Einzelfällen kann auch der Beschluss des Insolvenzgerichts bereits im vorläufigen Verfahren die Unterbrechung nach § 240 ZPO bewirken, etwa wenn das Insolvenzgericht hinsichtlich der vom Insolvenzschuldner geführten Aktiv- und Passivprozesse ein Verfügungsverbot erlässt und den vorläufigen Insolvenzverwalter ermächtigt, Aktiv- und Passivprozesse der Schuldnerin zu führen.[32]

Abzugrenzen sind diese Fälle von der Konstellation, in der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Eigenverwaltung aufgehoben und das Regelverfahren angeordnet wird. In der Praxis kommt es vor, dass auch bei Verfahren, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtshängig und noch nicht beendet sind, eine Unterbrechung des Verfahrens durch die Gerichte angenommen wird, wenn sie Kenntnis von der Anordnung des Regelverfahrens erlangen.

Bereits eingeleitete oder aufgenommene Prozesse werden nach h.M. durch die Aufhebung der Eigenverwaltung aber nicht unterbrochen.[33]

Die damit erforderliche Rubrumsberichtigung wird wohl als sachdienliche Klageänderung (§ 263 ZPO) zu behandeln sein, die regelmäßig von der Klägerseite zu beantragen ist.

 

Rz. 25

Der Anspruch auf Lohn- und Gehaltszahlung, Ausstellung von Zeugnissen etc. richtet sich jetzt gegen den Insolvenzverwalter, der ab sofort in persona Partei von Zahlungs- und sonstigen Klagen wird. Bei Leistungsklagen ist er "in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH" in Anspruch zu nehmen. Dadurch wird deutlich, dass die Zahlung nicht aus seinem Privatvermögen verlangt wird, sondern – wie geschuldet – aus der von ihm verwalteten Masse. Zwangsgelder zur Durchsetzung von unvertretbaren Handlungen, z.B. dem Ausstellen von Zeugnissen,[34] werden jedoch gegen ihn persönlich festgesetzt.

 

Rz. 26

Im Zeitpunkt der Eröffnung wechselt die Qualität der Forderungen gegen das Schuldnerunternehmen:

 

Rz. 27

Sämtliche Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis, die vor dem Eröffnungszeitpunkt entstanden sind, sind sog. "einfache Insolvenzforderungen" (§ 38 InsO). Sie müssen zur Tabelle angemeldet werden. Der Arbeitnehmer hat nach der Eröffnung nur einen Anspruch auf Feststellung dieser Forderungen zur Tabelle. Klagen auf Zahlung rückständigen Gehalts sind im vorläufigen Verfahren daher zwar noch gegen das Schuldnerunternehmen zu richten. Durch die Eröffnung des Verfahrens wird der Prozess jedoch unterbrochen und er kann danach auch nur noch mit einer Änderung des Klageantrages ("Antrag auf Feststellung zur Tabelle") fortgesetzt werden.

 

Rz. 28

Dies gilt gem. § 55 Abs. 2 InsO auch dann, wenn die Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter übergegangen war, dieser die Dienstleistung des Arbeitnehmers aber nicht in Anspruch genommen, sondern den Arbeitnehmer freigestellt hatte. In diesem Falle kann der Arbeitnehmer zwar den Verzugslohn geltend machen, muss diesen Anspruch aber zur Tabelle anmelden.[35]

 

Rz. 29

Da der Arbeitnehmer jedoch gem. § 165 SGB III einen Anspruch auf Zahlung des Bruttogehalts für die letzten drei Monate vor dem Eröffnungs- oder Abweisungsbeschluss hat ("Insolvenzgeld", früher: "Konkursausfallgeld" gem. §§ 141a ff. AFG, Abk.: "KauG"; vgl. dazu unten Rdn 42 ff.), kann er seinen Verdienstausfall zumindest für drei Monate anderweitig realisieren.

 

Rz. 30

 

Praxishinweis

Von einem Rechtsstreit in dieser Phase ist deshalb aus Kostengründen abzuraten. Die Einreichung der Klage könnte sogar einen Haftungsgrund für den rechtlichen Vertreter darstellen, wenn damit zu rechnen ist, dass der Verwalter die Ansprüche ohne weiteres anerkennen wird.

 

Rz. 31

Vom Zeitpunkt der Eröffnung an richten sich neu entstandene Forderunge...

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