Rz. 312

Allein die Tatsache, dass ein Ehegatte weniger verdient als der andere, kann einen Unterhaltsanspruch (Aufstockungsunterhalt) begründen. Das gilt jedenfalls, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte zumutbar kein höheres Einkommen erzielen kann.

Im Regelfall ist beim Trennungsunterhalt unzumutbar

die Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit unmittelbar nach der Trennung;[496]
die Aufgabe einer sicheren Arbeitsstelle mit geringerem Einkommen zugunsten einer unsicheren Arbeitsstelle mit höherem Einkommen;
ein Berufswechsel und/oder ein Wechsel des Wohnorts.

Je enger die wirtschaftlichen Verhältnisse sind, etwa wegen hoher unterhaltsrelevanter Kreditbelastungen, umso eher ist es dem Gläubiger allerdings zuzumuten, auch schon nach kurzer Trennungszeit, ggf. unmittelbar nach der Trennung, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder auch den Beruf oder den Wohnort zu wechseln; die gleichen Forderungen werden in einer solchen Situation schließlich auch an den Schuldner gestellt.

 

Rz. 313

Hat der Gläubiger kein oder nur geringes Einkommen, weil er keine qualifizierte Ausbildung hat, so kann von ihm erwartet werden, dass er eine Ausbildung aufnimmt oder sich zumindest fortbildet.[497] Die damit verbundenen zusätzlichen Kosten hat der Schuldner zu tragen; sie werden bei der Unterhaltsberechnung vorweg von seinem Einkommen – in der Regel über einen der Ausbildungszeit entsprechenden Zeitraum – abgezogen.

Hat der Gläubiger kein oder nur geringes Einkommen, obwohl er in zumutbarer Weise Einkommen haben oder mehr verdienen könnte, so muss er sich bei der Unterhaltsberechnung ein fiktives Einkommen in Höhe desjenigen Betrages entgegenhalten lassen, den er verdienen könnte. Ein fiktives Einkommen kann jedoch nur angesetzt werden, wenn für den Gläubiger auch eine reale Beschäftigungschance besteht.[498]

[496] Normalerweise brauchen im ersten Trennungsjahr die Lebensumstände nicht geändert zu werden, so dass die Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann. Je kürzer die Ehe bis zur Trennung gedauert hat, umso eher kann auch schon vor Ablauf eines Jahres eine Erwerbstätigkeit erwartet werden; bei langjährigen Ehen kann sich der Zeitraum verlängern, im Regelfall aber bis höchstens zu zwei Jahren. Nr. 17.2 Leitlinien.
[498] BGH FamRZ 2008, 2104; BGH FamRZ 2009, 314. Siehe auch BVerfG FamRZ 2007, 273 und BVerfG FamRZ 2010, 793 (nur nach Ausbildung, Berufserfahrung, Alter und Gesundheitszustand objektiv erzielbares Einkommen) sowie BVerfG FamRZ 2010, 183 und BVerfG FamRZ 2010, 626 (kein Pauschalansatz von Einkommen, sondern nur subjektiv und objektiv konkret mögliches Einkommen). BGH NJW 2014, 932: Strenge Maßstäbe sind anzulegen. Dabei ist gemäß BGH FamRZ 2012, 517 auch darzulegen und ggf. zu beweisen, dass sich der Gläubiger nicht nur um eine Vollzeitstelle ausreichend und vergeblich bemüht hat, sondern auch um eine geringfügige Beschäftigung ("Mini-Job") und um eine Tätigkeit im Rahmen der Gleitzone gemäß § 20 Abs. 2 SGB IV ("Midi-Job"). Umfassender Überblick bei Wönne, FF 2013, 476.

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