A. Allgemeines

I. Stand und Entwicklung des Nichtehelichenerbrechts in den alten Bundesländern

 

Rz. 1

Nichteheliche Kinder hatten schon immer volles gesetzliches Erbrecht an ihrer Mutter; umgekehrt hatte auch die Mutter gesetzliches Erbrecht an ihrem nichtehelichen Kind.

Dagegen wurden die Vorschriften über das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht nichtehelicher Kinder an ihrem Vater und den väterlichen Verwandten sowie des nichtehelichen Vaters und der väterlichen Verwandten am Kind in den letzten Jahrzehnten mehrfach geändert. Von Bedeutung war zuletzt immer wieder die Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EGMR).

Für nach dem 29.5.2009 eingetreten Erbfälle bestehen die gleichen Ansprüche, die auch einem ehelichen Kind zukommen.

Für früher eingetretene Erbfälle galt/gilt Folgendes:[1]

Ist der Vater vor dem 1.7.1970 gestorben, also in der Zeit bis zum 30.6.1970, so war das Erbrecht des nichtehelichen Kindes am Vater vollständig ausgeschlossen. Das Gesetz arbeitete mit einer Fiktion und erklärte nichteheliches Kind und Vater schlicht als "nicht verwandt" (so § 1589 Abs. 2 BGB in der bis 30.6.1970 geltenden Fassung).

Ist der Vater in der Zeit zwischen dem 1.7.1970 und dem 31.3.1998 gestorben, so hatten nichteheliche Kinder neben ehelichen Kindern und/oder dem Ehegatten seines Vaters einen sog. Erbersatzanspruch gegen dessen Erben. Neben anderen Verwandten wurden sie volle gesetzliche Erben (Nichtehelichengesetz vom 19.8.1969, das zum 1.7.1970 in Kraft getreten ist). Der Erbersatzanspruch war ein Geldanspruch in Höhe des gesetzlichen Erbteils.

Nichteheliche Kinder, die vor dem 1.7.1949 geboren sind, hatten jedoch auch nach dem 30.6.1970 nach wie vor weder Erbersatzanspruch noch Erbrecht an ihrem Vater und dessen Verwandten; für sie galt weiter, dass sie mit ihrem Vater "nicht verwandt" sind (Art. 12 § 10 NEhelG von 1969). Für diese im Zeitpunkt des Inkrafttretens des NEhelG bereits volljährigen Kinder (zu jener Zeit trat die Volljährigkeit mit der Vollendung des 21. Lebensjahres ein) sollte es nach dem Willen des Gesetzgebers beim bisherigen Recht bleiben. Diese Regelung sollte den Interessen der Väter entgegenkommen.

Seit dem 1.4.1998 haben nichteheliche Kinder auch volles gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht am Vater und an den väterlichen Verwandten sowie umgekehrt, allerdings mit Einschränkungen, wenn sie vor dem 1.7.1949 geboren sind ([Erstes] Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder vom 16.12.1997 – ErbGleichG, BGBl I 1997, 2968 und Zweites Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder vom 12.4.2011 – Zweites ErbRGleichG, BGBl I 2011, 615).[2] Kein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht hat ein nichteheliches Kind an seinem Vater und den väterlichen Verwandten, wenn vor dem 1.4.1998

der Erblasser gestorben ist oder
über den Erbausgleich eine wirksame Vereinbarung getroffen oder
der Erbausgleich durch rechtskräftiges Urteil zuerkannt worden ist (Artikel 225 Abs. 1 EGBGB n.F.)
und wenn das nichteheliche Kind vor dem 1.7.1949 geboren ist und der Erbfall vor dem 29.5.2009 eingetreten ist (vgl. unten Rdn 33 ff.).

Indes sind die sich aus der (west-) deutschen Gesetzeslage ergebenen Einschränkungen zu Lasten des vor dem 1.7. 1949 geborenen Kindes im Lichte des Diskriminierungsverbotes des Art. 14 EMRK weitgehend unhaltbar geworden, die Rechte der vor dem 1.7.1949 außerhalb der Ehe geborenen Kinder haben eine kontinuierliche Ausweitung erfahren (vgl. unten Rdn 33 ff.).

 

Rz. 2

Die Vereinbarung über den vorzeitigen Ausgleich bedurfte zur Formwirksamkeit der notariellen Beurkundung, § 1934d Abs. 4 S. 1 BGB a.F. Aus Gründen der Rechtssicherheit wurden solche Erbfälle, die vor dem Inkrafttreten des (ersten) Erbrechtsgleichstellungsgesetzes eingetreten sind, von der Reform des Nichtehelichen-Erbrechts ausgenommen. Das bis 31.3.1998 geltende gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht nichtehelicher Kinder am Vater und an den väterlichen Verwandten wurde grundlegend geändert, und zwar in der Weise, dass keine neuen erbrechtlichen Vorschriften geschaffen wurden; vielmehr wurde die Rechtsstellung nichtehelicher Kinder denen der ehelichen durch das Streichen bestehender Sondervorschriften angeglichen. Deshalb sind die §§ 1934a, 1934b, 2338a BGB a.F., die den Erbersatzanspruch geregelt haben, ersatzlos gestrichen worden.

 

Rz. 3

Die erbrechtlichen Verhältnisse zwischen dem nichtehelichen Kind und dem nichtehelichen Vater entsprechen seit dem 1.4.1998 denen des ehelichen Kindes – mit wenigen Ausnahmen – und richten sich ebenso nach den §§ 1924 ff. BGB. Das Rechtsinstitut des vorzeitigen Erbausgleichs ist seit 1.4.1998 vollständig entfallen.

 

Rz. 4

Auch die Höfeordnung hat die Gleichstellung nichtehelicher und ehelicher Kinder mit vollzogen. §§ 5 und 10 Höfeordnung wurden entsprechend geändert. Will der Erblasser nicht, dass das nichteheliche Kind nach neuem Recht Hoferbe wird, so muss er entweder von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Hofübergabe bereits zu Lebzeiten vorzunehmen oder eine entsprechende letztwillige Verfügung – wie dies bezüglich ehelicher Kinder auc...

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