Rz. 40

Der Rechtsschein einer Vollmacht geht nur von der Urschrift oder bei einer notariell beurkundeten Vollmacht von der Ausfertigung aus. Beglaubigte Abschriften genügen nicht, um den Rechtsschein aufrechtzuerhalten.[73] Daher geht die h.M. davon aus, dass ein Anspruch auf Herausgabe der Fotokopien der Vollmacht nicht besteht.[74] Dabei wird jedoch übersehen, dass von Fotokopien ebenfalls eine Missbrauchsgefahr ausgeht. Ein ungeübtes Auge kann eine "gute" Fotokopie kaum vom Original unterscheiden. Neben der Vollmachtsurkunde und der Ausfertigung sollten folglich auch Fotokopien der Vollmachten herausverlangt werden.[75] Einzig eine Fotokopie sollte der Bevollmächtigte behalten dürfen, um seine frühere Bevollmächtigung nachweisen zu können. Diese sollte aber mit einem Vermerk versehen werden, dass die Vollmacht bereits widerrufen wurde.[76]

 

Rz. 41

Die Herausgabefrist für die Vollmachtsurkunde sollte sehr kurz bemessen sein, um dem Bevollmächtigten keinen Spielraum für deren weitere Verwendung zu lassen. Wird sie nicht herausgeben, kann die Herausgabe im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Der Hauptsacheanspruch kann hier ausnahmsweise im Wege der einstweiligen Verfügung verfolgt werden.[77] Je nach Sachverhalt kann es sinnvoll sein, dass der Rückgabeanspruch durch Hinterlegung erfüllt wird, wenn deren Voraussetzungen gem. § 372 BGB vorliegen und das Rücknahmerecht nach § 376 BGB ausgeschlossen wurde.[78]

 

Rz. 42

Muster 14.3: Aufforderung Herausgabe Vollmachtsurkunde

 

Muster 14.3: Aufforderung Herausgabe Vollmachtsurkunde

Ich fordere Sie auf, die Vollmachtsurkunde sowie sämtliche Ausfertigungen[79] und Fotokopien[80] von dieser bis zum

_________________________

(Frist 3 Tage)

an mich herauszugeben.

 

Praxistipp

Der beurkundende Notar sollte vom Widerruf in Kenntnis gesetzt werden, damit sichergestellt wird, dass dem Bevollmächtigten keine weiteren Ausfertigungen erteilt werden, falls dies für den Bevollmächtigten rechtliche möglich wäre.

[73] BGH, Urt. v. 20.12.1979 – VII ZR 77/78; BGH, Urt. v. 15.10.1987 – III ZR 235/86.
[74] Siehe BGH NJW 2006, 1957, 1958; BGHZ 102, 60, 63 = NJW 1988, 697, 698; RGZ 88, 430, 431  f.; 56, 63 67 ff.; MüKo-BGB/Schubert, § 168 Rn 6.
[75] So auch: Burandt/Rojahn/Kurze, § 175 Rn 1; BeckOK BGB/Schäfer, § 175 Rn 3.
[76] Burandt/Rojahn/Kurze, § 175 Rn 1.
[77] OLG Brandenburg, Beschl. v. 14.9.2006 – 13 W 37/06, BeckRS 2011, 16784; nach BeckOGK BGB/Deckenbrock, § 175 Rn 21 sei hier Vorsicht geboten. Er verweist auf die Kraftloserklärung statt der Einstweiligen Verfügung. Siehe zu den Vor- und Nachteilen der beiden Rechtsmittel § 15 Rdn 2.
[78] MüKo-BGB/Schubert, § 175 Rn 7.
[79] Bei einer notariell beurkundeten Vollmacht sollte die Anzahl der Ausfertigungen beim Notar erfragt werden.
[80] Siehe Rdn 40.

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