a) Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 79

Das Anwartschaftsrecht des Nacherben ist zwischen Erbfall und Nacherbfall übertragbar. Der Erblasser kann die Veräußerlichkeit auch nicht mit dinglicher Wirkung ausschließen.[109] Gesetzlich vorgesehen ist lediglich der Ausschluss der Vererblichkeit (§ 2108 Abs. 2 S. 1 BGB). Demzufolge kann der Nacherbe zwar eine unvererbliche Anwartschaft veräußern,[110] jedoch verliert der Erwerber das (auflösend bedingte) Anwartschaftsrecht mit dem Eintritt des Ersatzfalls wieder.[111] Der Erwerber sollte sich deshalb in dieser Fallkonstellation unbedingt auch das Anwartschaftsrecht des Ersatznacherben übertragen lassen, um am Ende nicht mit leeren Händen da zu stehen.

 

Rz. 80

Bei einer Veräußerung des Anwartschaftsrechts – die der notariellen Form bedarf, §§ 2371, 2385, 2033 BGB[112] – steht zunächst etwaigen Mitnacherben ein Vorkaufsrecht zu. Sind Mitnacherben nicht vorhanden oder üben sie das Vorkaufsrecht nicht aus, steht nach Auffassung der Literatur[113] auch dem Vorerben in analoger Anwendung des § 2034 BGB ein Vorkaufsrecht zu.

 

Rz. 81

Die Geltendmachung des Vorkaufsrechts muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der Mitteilung des Kaufvertragsschlusses gegenüber dem Nacherben erfolgen (§§ 2034 Abs. 2 S. 1, 469, 464 Abs. 1 BGB). Die Erklärung bedarf nach herrschender Meinung im Hinblick auf den Wortlaut des § 464 Abs. 1 S. 2 BGB nicht der Form des zugrunde liegenden Kaufvertrages.[114] Es wird ein selbstständiger Kaufvertrag zwischen dem Vorerben und dem Nacherben begründet (§ 464 Abs. 2 BGB), aus dem sich die Verpflichtung zur Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts (in notarieller Form,[115] § 2033 Abs. 1 BGB) ergibt.

 

Rz. 82

Eintritt des Vorkaufsberechtigten in fünf Schritten:

 
1. Schritt: Abschluss eines Anwartschaftsrechtskaufvertrages, § 2371 BGB
2. Schritt: Anzeige nach § 469 BGB
3. Schritt: Vorkaufserklärung des Vorkaufsberechtigten nach § 464 BGB
4. Schritt: Entstehung eines Schuldverhältnisses zwischen Verkäufer und Vorkaufsberechtigtem nach § 464 Abs. 2 BGB
5. Schritt: Anwartschaftsrechtsübertragung analog § 2033 Abs. 1 BGB als Erfüllungs-Rechtsgeschäft.
[109] Staudinger/Avenarius, § 2100 Rn 76.
[110] BayObLG NJW 1970, 1794, 1795.
[111] Hartmann, DNotZ 2016, 899, 904 ff.
[112] MüKo/Lieder, § 2100 Rn 60.
[113] MüKo/Lieder, § 2100 Rn 60; Soergel/Wegmann, § 2100 Rn 23; BeckOK BGB/Litzenburger, § 2100 Rn 52; NK-BGB/Gierl, § 2100 Rn 62; Grüneberg/Weidlich, § 2100 Rn 14.
[114] MüKo/Gergen, § 2034 Rn 26; vgl. Sarnighausen, NJW 1998, 37, 38.
[115] MüKo/Lieder, § 2100 Rn 60 m.w.N.

b) Muster: Verkauf und Übertragung des Anwartschaftsrechts auf den Vorerben

 

Rz. 83

Muster 14.12: Verkauf und Übertragung des Anwartschaftsrechts auf den Vorerben

 

Muster 14.12: Verkauf und Übertragung des Anwartschaftsrechts auf den Vorerben

_________________________ (Notarielle Urkundenformalien)

Anwesend sind:

1. Frau W

2. Herr A

3. Herr B

Die Anwesenden erklären mit der Bitte um Beurkundung:

Wir schließen folgenden

Nacherben-Anwartschaftsrechts-Kauf- und Übertragungsvertrag

I. Rechtsverhältnisse

Am _________________________ ist Herr _________________________, zuletzt wohnhaft in _________________________, gestorben. Er war in zweiter Ehe verheiratet mit Frau W – der Anwesenden zu Ziff. 1 –. Seine erste Ehefrau ist gestorben. Aus dieser ersten Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, die Herren A und B – Anwesende zu Ziff. 2 und 3 –.

In seinem notariellen Testament vom _________________________, beurkundet von Notar _________________________ in _________________________ unter UR-Nr. _________________________, hat der Erblasser seine zweite Ehefrau, Frau W, zu seiner alleinigen Vorerbin eingesetzt, die Kinder aus der ersten Ehe, die Herren A und B, je zur Hälfte zu Nacherben. Das Testament wurde am _________________________ vom Nachlassgericht _________________________ unter Az. _________________________ eröffnet.

Die Übertragbarkeit der Nacherbenanwartschaftsrechte ist nicht ausgeschlossen.

II. Verkauf der Nacherbenanwartschaftsrechte

1. Die Herren A und B verkaufen ihre Nacherbenanwartschaftsrechte am Nachlass ihres verstorbenen Vaters, Herrn _________________________, an dessen Witwe, Frau W.
2. Der Kaufpreis beträgt _________________________ EUR. Er ist wie folgt zahlungsfällig: _________________________
3. Die Gewährleistung richtet sich nach dem Gesetz. Frau W kennt den Nachlass in allen Einzelheiten. Ihr ist auch bekannt, welche Gegenstände zum Nachlass gehören.
4. Die Herren A und B versichern, dass ihnen die Anwartschaftsrechte ungeschmälert zustehen und Rechte Dritter daran nicht bestehen.
5. Die Übertragung der Anwartschaftsrechte erfolgt bereits heute, obwohl der Kaufpreis noch nicht bezahlt ist. Auf die Gefahr der Vorleistung hat der Notar hingewiesen.
6. Der Notar wird beauftragt, dem Nachlassgericht _________________________ eine beglaubigte Abschrift dieser Urkunde als Anzeige i.S.v. § 2384 BGB zu übersenden.
7. Die Kosten dieser Urkunde und ihres Vollzugs sowie etwa entstehende Verkehrssteuern trägt die Käuferin.

III. Übertragung der Nacherbenanwartschaftsrechte

Wir sind uns darüber einig, dass die zuvor...

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