Rz. 199

In der Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte wird nicht selten der Begriff der "Kompensation" erwähnt.[322]

Der ehebedingte Nachteil rechtfertigt nur dann einen fortdauernden Unterhaltsanspruch, wenn dieser Nachteil nicht zwischenzeitlich entfallen oder durch anderweitige erlangte – ehebedingte – Vorteile kompensiert worden ist.[323]

Eine – wie auch immer ausgestaltete – Kompensation wirkt sich daher nicht direkt auf den Nachteil aus, kann aber dennoch im Rahmen der Billigkeitsüberlegungen quasi als "Gegengewicht" herangezogen werden.

 

Rz. 200

Eine solche im Rahmen der Billigkeitsabwägung zu berücksichtigende Kompensation ist von der Rechtsprechung in verschiedenen Fallgestaltungen erörtert worden:

Kompensation durch Zuwendung von Vermögenswerten.[324] Von Bedeutung ist – auch im Unterschied zu den nachfolgenden Fallgruppen – dass diese Vorteile in Form von Vermögenszuwendungen für die Berechtigte bereits jetzt wirtschaftlich nutzbar sind.
Kompensation durch Zahlung von Altersvorsorgeunterhalt oder Ausgleichszahlungen im Versorgungsausgleich. Zu bedenken ist hier, dass sich der dadurch erlangte Vorteil erst in Zukunft – also ab dem Tage des Rentenbezugs der Berechtigten – auswirkt. Daher ergibt sich aufgrund dieser zeitlich versetzten Rechtsfolge daraus jedenfalls kein Billigkeitsgesichtspunkt, den aktuell bestehenden Unterhaltsanspruch der Berechtigten bereits gegenwärtig einzuschränken bzw. auf einen kürzeren Zeitpunkt zu befristen.
 

Rz. 201

BGH, Beschl. v. 4.7.2018 – XII ZB 122/17[325]

Zitat

1. Ehebedingte Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB können nicht mit den durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursachten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden, wenn für diese Zeit ein Versorgungsausgleich stattgefunden hat. Nachteile in der Versorgungsbilanz sind dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit vollständig ausgeglichen.

2. Ein ehebedingter Nachteil, der darin besteht, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch nachehelich geringere Versorgungsanrechte erwirbt, als dies bei hinweggedachter Ehe der Fall wäre, ist grundsätzlich als ausgeglichen anzusehen, wenn er für diese Zeit Altersvorsorgeunterhalt zugesprochen erhält oder jedenfalls erlangen kann.

Im entschiedenen Fall fehlt es mit Erreichen der Regelaltersgrenze an einem zu berücksichtigenden ehebedingten Nachteil aufseiten der Ehefrau.

 

Rz. 202

Der BGH begründet dies unter Hinweis auf seine Entscheidung vom 20.6.2018 im Parallelverfahren XII ZB 84/17[326] damit, dass der Ehefrau schon keine ehebedingten (und nicht anderweitig kompensierte) Nachteile beim Aufbau einer Altersversorgung entstanden sind. Dort ist ausgeführt worden, dass sie tatsächlich nach dem durchgeführten Versorgungsausgleich ein ehezeitlich erworbenes Versorgungsvermögen mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 66.296,71 EUR erworben hat. Zwar hätte sie ohne die Ehe und die ehebedingte Rollenverteilung dagegen auf der Basis einer hypothetischen Versorgungsbiographie ein Versorgungsvermögen mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 110.399,89 EUR bilden können, so dass sich am Ende der Ehezeit rechnerisch ein Versorgungsnachteil mit einem Kapitalwert von 44.103,18 EUR darstellen lässt.

 

Rz. 203

Allerdings beschränkt sich die Teilhabe der Ehefrau am Vermögensaufbau des Ehemannes nicht auf die ihr im Versorgungsausgleich übertragenen Versorgungsanrechte, sondern ihr kommt über den modifizierten Zugewinnausgleich zusätzlich weiteres Vermögen des Ehemannes zugute. Dieser ehebedingte Vorteil ist geeignet, einen etwaigen ehebedingten Nachteil zu kompensieren.[327] Denn auch das aufgrund der Ehe erlangte Vermögen kann ehebedingte Versorgungsnachteile kompensieren; das gilt nur dann nicht, wenn der mit den Versorgungsnachteilen belastete Ehegatte auch ohne die Ehe ein vergleichbares Privatvermögen hätte aufbauen können.[328]

Selbst bei einer für sie ungünstigen Auslegung des Ehevertrags steht ihr ein Zugewinnausgleichsanspruch in einer rechnerischen Mindesthöhe von 57.218,23 EUR zu, der mit einem Teilbetrag von 50.000 EUR nebst Zinsen bereits im Jahr 2014 zu ihren Gunsten tituliert worden ist. Ein ehebedingter Vermögenserwerb in dieser Größenordnung dürfte dazu geeignet sein, ihren Nachteil beim Aufbau der Altersversorgung nahezu vollständig auszugleichen.

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