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Schließen Ehegatten untereinander oder Eltern mit ihren Kindern schuldrechtliche Verträge ab und erbringen sie einander Leistungen zur Vertragserfüllung, so fehlt nach weit verbreiteter Auffassung in einkommensteuerlichen Rechtsprechung und Schrifttum die "Richtigkeitsgewähr".[10] Begründet wird dies damit, dass Abschluss und Durchführung von Angehörigenverträgen durch private Erwägungen veranlasst sein können.[11] Es kann dann an dem für Verträge zwischen einander fremden Personen charakteristischen Interessengegensatz fehlen. Aus diesem Grund erkennen die Rechtsprechung und die Finanzverwaltung in langer Tradition Vereinbarungen zwischen Eheleuten oder nahen Angehörigen (Angehörigenverträge) für einkommensteuerliche Zwecke nur dann an, wenn die betreffenden Verträge klar und ernstlich gewollt sind, entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden, und sowohl Vereinbarung als auch Durchführung angemessen sind.[12] Die Rechtsprechung hat ihre früher sehr streng und formalistische gehandhabten Kriterien nach dem Oderkonto-Beschluss des BVerfG vom 7.11.1995[13] aufgeweicht. Am Erfordernis der zivilrechtlichen Wirksamkeit, insbesondere Formerfordernissen, hält der BFH nicht mehr ausnahmslos fest.[14] Auch ein strenger Fremdvergleich wird nicht mehr ausnahmslos verlangt.[15] So betonte der IX. Senat 1996 im Zusammenhang mit einem Ehegattenmietverhältnis, dass nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt.[16] Maßgebend ist danach, dass die Hauptpflichten der Mietvertragsparteien (Überlassung einer konkret bestimmten Sache und Höhe der Miete, § 535 BGB) klar und eindeutig vereinbart und wie vereinbart durchgeführt werden;[17] die frühere Rechtsprechung,[18] die auf einer exakte Vereinbarung und Durchführung auch der Nebenpflichten bestand, ist damit – angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfreulicherweise – obsolet. Indem die Rechtsprechung auf eine umfassende Würdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles abstellt[19] und sich tendenziell von der Aufstellung von Tatbestandsmerkmalen mit Qualität einer conditio sine qua non verabschiedet, setzt sie die vom BVerfG im Beschl. v. 7.11.1995 konkretisierten verfassungsrechtlichen Vorgaben um.

[10] Schmidt, StbJb. 1980/1981, 115/122. Kritisch zu dieser Argumentation Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze, S. 385 ff.
[11] BFH v. 29.5.1972, GrS 4/71, BFHE 106, 504/508; BFH v. 7.6.2006, IX R 4/04, BStBl II 2007, 294 = DStR 2006, 1372; BFH v. 22.2.2007, IX R 45/06, BB 2007, 1373 = GmbHR 2007, 719 m. Anm. Hoffmann; Seeger, DStR 1998, 1339/1341.
[12] BFH v. 11.5.2010, IX R 19/09, DStR 2010, 1514; BFH v. 15.4.1999, IV R 60/98, BStBl II 1999, 524/525. Vgl. auch FG Saarland v. 18.12.2012, 1 K 1628/10, BeckRS 2013, 94369; Niedersächs. FG v. 5.2.2001, 14 K 105/96, EFG 2001, 1111 m. Anm J. Hoffmann; Gosch, StBp 2000, 251 f. Vgl. auch Wacker, StJb. 2002/2003, 85/96 ff. Zu Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen vgl. Pump/Kurella, StBp 2001, 239 ff. Allgemeine Darstellung bei Ramisch, Rechtsverhältnisse zwischen Angehörigen im Ertragsteuerrecht.
[14] Eine klare Vereinbarung muss nicht schriftlich sein, um anerkannt zu werden; vgl. BFH v. 20.4.1999, VIII R 81/94, BFH/NV 1999, 1457/1459 (Arbeitsvertrag). Vielmehr reicht es für die steuerliche Anerkennung von Lohnzahlungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) aufgrund einer mündlichen Vertragsänderung aus, dass aus der tatsächlichen Durchführung dieser Vertragsänderung auch für außenstehende Dritte erkennbar ist, dass die Leistungen des Arbeitnehmers nur gegen das geänderte Entgelt erbracht werden sollten.

Allerdings scheint sich in der Rechtsprechung jüngst eine Anhebung der Anerkennungsschwellen für Angehörigenverträge anzukündigen. Anders als noch BFH v. 13.7.1999, BStBl II 2000, 286 und v. 7.6.2006, IXR 4/04, BStBl II 2007, 294 = DStR 2006, 1372, hat BFH v. 22.2.2007, IX R 45/06, BB 2007, 1373 = GmbHR 2007, 719 m. Anm. Hoffmann, einem Darlehensvertrag mit dem minderjährigen Kind als Darlehensgeber die ertragsteuerliche Anerkennung versagt, weil unterlassen worden war, einen Ergänzungspfleger einzuschalten. Die bürgerliche Rechtslage sei klar gewesen und die Nichtbeachtung dieser Wirksamkeitsvoraussetzung daher den Beteiligten anzulasten. Kritisch hierzu Hoffmann, GmbHR 2007, 720 ff. Der BFH ist damit im Ergebnis auf die Linie der Finanzverwaltung (vgl. Nichtanwendungserlass des BMF v. 2.4.2007 zum BFH-Urt. v. 7.6.2006, IV B 2 – S 2144/0, BStBl I 2007, 441) eingeschwenkt. Vgl. zu dieser Thematik auch Heuermann, DB 2007, 1267 ff.

[15] Weil es auf eine "Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles" ankomme, sei es unzulässig, die steuerliche Anerkennung dieser Zusagen von einem betriebsexternen Vergleich abhängig zu machen und sie nach den Regeln der objektiven Feststellungslast zu versagen, wenn ein solcher mangels ve...

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