Rz. 88

Auch bei der Version FM1 geht die Rechtsprechung von einem standardisierten Messverfahren aus.[22] Messungen aus einem Enforcement Trailer bilden hiervon keine Ausnahme.[23] Bei Abweichungen von der Bedienungsanleitung ist allerdings abzuklären, ob es um zwingende Vorgaben geht, deren Verletzung ein zum Nachteil des Betroffenen fehlerhaftes Messergebnis besorgen lässt.[24] Hierzu hat das Gericht im Zweifel eine sachverständige Stellungnahme einzuholen – sofern die Verteidigung eine solche nicht bereits zuvor eingeholt hat.

 

Rz. 89

Die Tatsache, dass ein gültiger Eichschein vorliegt, spricht nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte dafür, dass das Gerät nach dem neuen MessEG in den Verkehr gebracht worden ist.[25] Ob dies bei abweichenden Vorgaben der PTB-A auch so gesehen wird,[26] darf durchaus kritisch betrachtet werden. Schließlich wertet die Rechtsprechung die Einschätzungen der PTB ja auch regelmäßig wie Sachverständigengutachten. Jedenfalls in Punkten, die sich bei der konkreten Messung erkennbar kausal niedergeschlagen haben könnten, sollte dies anders zu beurteilen sein. Hierzu hat die Verteidigung dann aber entsprechend den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts konkret und auch rechtzeitig vorzutragen.[27]

 

Rz. 90

Mit Ausnahme der saarländischen Gerichte sehen die OLG in der Tatsache, dass mangels ausreichend gespeicherter Daten die Berechnung des einzelnen Messergebnisses nicht reproduzierbar ist, weder den Anspruch auf ein faires Verfahren noch auf eine effektive Verteidigung verletzt.[28] Nachdem andere Geräte gänzlich ohne Datenspeicherung eingesetzt werden, wird man hier in rechtlicher Hinsicht auch immer a maiore ad minus argumentieren können, dass auch eine Datenreduktion möglich ist – sofern dies die Konformitätsbewertung nicht beeinträchtigt. Im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung zu Einsichtsrechten der Verteidigung wäre es daher eine große Überraschung, wenn die derzeit noch laufenden höchstgerichtlichen Verfahren die absichtlich reduzierte Speicherung der Daten und die damit einhergehende Einschränkung der Transparenz künftig als unzulässig erachten würden.

 

Rz. 91

Dies hinterlässt einen faden Beigeschmack, zumal ja bei der Verfahrensweise des Geräts LEIVTEC XV3 erkennbar geworden ist, dass Messfehler durchaus auch erst nach erfolgter Konformitätsbewertung ersichtlich werden können. Dennoch bleibt der Verteidigung nichts anderes übrig, als mit sachlichen Argumenten innerhalb der Systematik des standardisierten Messverfahrens auf konkrete Zweifel an der Richtigkeit der Messung hinzuwirken. Hier ist auf den allgemeinen Teil – insbesondere auf § 2 – hinzuweisen.

[22] OLG Koblenz, Beschl. v. 18.11.2021 – 3 OWi 32 SsBs 119/21, BeckRS 2021, 37047 Rn 1.
[25] OLG Oldenburg, Beschl. v. 28.7.2022 – 2 Ss(OWi) 105/22, BeckRS 2022, 19434 Rn 6, beck-online; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.2021 – 2 RBs 1/21, BeckRS 2021, 476 Rn 22, m.w.N.
[27] Vgl. hierzu die allgemeinen Ausführungen zum standardisierten Messverfahren in § 2.

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