Verfahrensgang

AG Perleberg (Entscheidung vom 25.05.2022; Aktenzeichen 24 OWi 3427 Js-OWi 9901/22 (87/22)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Perleberg vom 25. Mai 2022 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Perleberg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Perleberg erkannte mit dem angefochtenen Urteil vom 25. Mai 2022 gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 52 km/h auf eine Geldbuße in Höhe von 480,00 € und ein einmonatiges Fahrverbot. Den Feststellungen des Amtsgerichts zufolge hatte der Betroffene am 02. Oktober 2021 um 12:58 Uhr mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen: ..., die Bundesstraße ... im Abschnitt ... auf Höhe des Kilometers 2,11 in Fahrtrichtung ... mit einer Geschwindigkeit von - nach Toleranzabzug - 152 km/h befahren, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt gewesen war (§ 3 Abs. 3 Ziff. 2 c) S. 1 StVO).

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 30. Mai 2022 bei Gericht angebrachte und nach am 28. Juni 2022 erfolgter Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe unter dem 27. Juli 2022 begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts und macht geltend, das eingesetzte Messgerät PoliScan FM 1 des Herstellers Vitronic genüge jedenfalls mit der Softwareversion 4.4.9, bei welcher keine Rohmessdaten gespeichert würden, nicht rechtsstaatlichen Prinzipien. Hierzu sei zum Aktenzeichen 2 BvR 1167/20 eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig, deren Ergebnis vor der hiesigen Entscheidung abzuwarten sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Der Betroffene hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 OWiG statthaft und entsprechend §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, sonach zulässig.

2. In der Sache hat sie in Bezug auf den Rechtsfolgenausspruch - vorläufig - Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

a) Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig, §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO.

b) Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Schuldspruchs lässt keine Rechtsfehler erkennen. Die Feststellungen des Bußgeldgerichts tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 52 km/h, §§ 3 Abs. 3, 49 StVO, 24, 25 StVG, 3, 4 BKatV, Ziff. 11.3.8 der Anlage zur BKatV.

aa) Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Tatgericht aus objektiven Umständen, namentlich der erheblichen Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung, auf ein vorsätzliches Handeln des Betroffenen geschlossen hat (std. Rspr. des Senats, vgl. statt vieler Beschluss vom 19. Februar 2021, 1 OLG 53 Ss-OWi 864/20; Beschluss vom 22. Oktober 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 433/20 [264/20]; Beschluss vom 22. September 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 374/20 [220/20]; Beschluss vom 24. Juli 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 318/20 [193/20]; jeweils m. w. N.; so auch BGH DAR 1997, 497; KG NZV 2004, 598; VRS 109, 132; OLG Rostock VRS 108, 376; OLG Bamberg DAR 2006, 464; OLG Jena VRS 111, 52). Bloße Fahrlässigkeit hätte nur damit begründet werden können, dass der Betroffene nicht bemerkt hätte, dass und in welchem Ausmaß er das generell auf Landstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften geltende Tempolimit auf 100 km/h (§ 3 Abs. 3 Ziff. 2 c) S. 1 StVO) überschritt. Dies war nach den vom Bußgeldgericht getroffenen Feststellungen indes fernliegend. Schon angesichts des massiven Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung um 52 km/h drängte sich die Annahme vorsätzlicher Begehung geradezu auf (vgl. BGH DAR 1997, 497). Die Differenz zwischen erlaubter und gefahrener Geschwindigkeit war damit so erheblich, dass jeder Kraftfahrer merken musste, dass er nicht nur zu schnell, sondern erheblich zu schnell fuhr (vgl. OLG Düsseldorf NZV 1995, 161, 162). Auch ohne ständigen Blick auf den Tachometer seines Fahrzeugs kann im Normalfall davon ausgegangen werden, dass ein geübter Kraftfahrer, der die erlaubten 100 km/h um mehr als 50 % überschreitet, dies beispielsweise anhand der Motorengeräusche des ihm vertrauten Fahrzeugs, der sonstigen Fahrgeräusche, der Fahrzeugvibration und anhand der Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung um ihn herum verändert, zuverlässig einschätzen und dadurch erkennen kann, dass er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit erheblich überschreitet (BGH NJW 1993, 3081, 3084 m. w. N.). Selbst wenn der Betroffene nicht auf den Tachometer geschaut hätte, würde dies aus den genannten Gründen der Annahme von Vorsatz nicht entgegenstehen. Der Betroffene hatte auch ohne ständige Beobachtung des Tachometers eine ungefähre Vorstellung von der Größenordnung der ...

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