A. Einführung

 

Rz. 1

Bei der Kündigung des Dienstvertrags von Organmitgliedern juristischer Personen (hier: AG/GmbH) ist zwischen dem gesellschaftsrechtlichen/körperschaftlichen Bestellungs- und dem schuldrechtlichen/vertragsrechtlichen Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Dies ergibt sich u.a. aus dem Wortlaut der §§ 84 Abs. 3 S. 5 AktG, 38 Abs. 1 GmbHG.

 

Rz. 2

Auch wenn Organstellung und Anstellungsverhältnis in vielfacher Hinsicht miteinander verknüpft sind, handelt es sich um getrennte Rechtsverhältnisse (sog. Trennungsprinzip).[1]

Die Trennung führt dazu, dass die Beendigung des einen Verhältnisses nicht notwendigerweise die Beendigung des anderen zur Folge hat. Die Trennungstheorie gilt sowohl für den Beginn (Bestellung als Vorstand/Geschäftsführer; Abschluss eines Anstellungsvertrags) als auch für das Ende der jeweiligen Rechtsbeziehungen (Abberufung als Vorstand/Geschäftsführer; Kündigung des Anstellungsvertrags).[2] Körperschaftliches Bestellungs- und schuldrechtliches Anstellungsverhältnis stellen grundsätzlich kein einheitliches Rechtsgeschäft i.S.d. § 139 BGB dar.[3]

 

Rz. 3

Während die Bestellung dem Vorstand/Geschäftsführer die Organstellung und die damit verbundenen Befugnisse verleiht und Pflichten auferlegt, regelt das Anstellungsverhältnis die persönlichen Beziehungen des Vorstands/Geschäftsführers (u.a. Entgelt, Urlaub, Altersversorgung etc.) zur Gesellschaft. Dem jeweiligen organschaftlichen Rechtsverhältnis zur AG/GmbH liegt also neben der Organstellung i.d.R. ein Anstellungsvertrag zugrunde, der regelmäßig ein Dienstvertrag ist und die Leistung von Diensten höherer Art, nämlich die Besorgung von Geschäften (vgl. §§ 611, 675 BGB) zum Gegenstand hat.[4] Wird ein Organmitglied (ausnahmsweise) ohne Entgelt tätig, dann ist das Anstellungsverhältnis typischerweise als Auftrag anzusehen (vgl. §§ 662 ff. BGB). Da nach § 612 Abs. 1 BGB die Geschäftsführung (von AG/GmbH) üblicherweise nur gegen Vergütung geleistet wird, muss die Verpflichtung zur (ausnahmsweisen) unentgeltlichen Tätigkeit zwischen der Gesellschaft und dem Vorstand/Geschäftsführer ggf. gesondert vereinbart werden.

 

Rz. 4

Am Regelbeispiel des jeweils wirksam bestellten und mit einem wirksamen (i.d.R. befristeten) Dienstvertrag versehenen (Fremd-)Geschäftsführers der GmbH und des (Fremd-)Vorstands der AG sollen zu berücksichtigende Aspekte der Kündigung des jeweiligen Dienstvertrags angesprochen werden.

B. Kündigung des Dienstvertrags von Vorstandsmitgliedern einer AG durch die Gesellschaft

I. Einleitende Vorbemerkungen

 

Rz. 5

§ 84 Abs. 1 S. 1 AktG bestimmt, dass der Aufsichtsrat Vorstandsmitglieder einer AG für höchstens fünf Jahre bestellt. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. Sie erfordert einen jeweils neuen Beschluss des Aufsichtsrats, der jedoch frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden darf (vgl. § 84 Abs. 1 S. 2 u. 3 AktG). Ist eine kürzere Dauer der Bestellung vorgesehen, bedarf eine Verlängerung keines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, sofern dadurch die gesamte Amtszeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt (vgl. § 84 Abs. 1 S. 4 AktG). Diese Vorschriften stellen sicher, dass der Aufsichtsrat der AG spätestens im Laufe des fünften Jahres der Bestellungsperiode die Möglichkeit hat, seine Personalentscheidung zu überprüfen. Die fünfjährige Höchstdauer und die Regeln für die Verlängerung der Bestellung gelten gem. § 84 Abs. 1 S. 5 AktG sinngemäß für den Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds. Die Entscheidungsfreiheit des Aufsichtsrats wäre beeinträchtigt, wenn die Gesellschaft bei einer langjährigen (mehr als fünf Jahre) Laufzeit des Dienstvertrags des Vorstands gebunden wäre und ggf. für diesen Zeitraum eine Vergütung zahlen müsste, ohne eventuell die Gegenleistung vom Vorstand zu erhalten, weil zwischenzeitlich die maximale Bestellungsdauer (als Organ) enden würde.[5]

 

Rz. 6

In der Praxis werden daher regelmäßig nur befristete Anstellungsverträge mit Mitgliedern des Vorstands einer AG abgeschlossen. Diese enthalten i.d.R. keine Klausel, die dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 3 TzBfG entsprechen würde und die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung einzelvertraglich, obwohl ein befristetes Anstellungsverhältnis vorliegt, erlauben würde. Dies ergibt zum einen Sinn, da der Aufsichtsrat andernfalls dem Mitglied des Vorstands durch ordentliche Kündigung des Dienstvertrags die wirtschaftliche Basis entziehen könnte und ihn ohne Beachtung der Regelungen von § 84 Abs. 4 AktG zur Amtsniederlegung zwingen könnte.[6] Die Regelung ergibt auch deshalb Sinn, weil sie dem Vorstandsmitglied ein Mindestmaß an rechtlicher Sicherheit gibt, wie auch § 84 Abs. 4 S. 5 AktG bestätigt, demzufolge für die Ansprüche aus dem Anstellungsvertra...

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