I. Sachlicher Anwendungsbereich

 

Rz. 46

Im Zuge der Neufassung des VVG ist die frühere Gerichtsstandsregelung des § 48 VVG a.F. durch § 215 VVG n.F. komplett neu gestaltet worden. Die Zuständigkeitsregelung des § 215 VVG gilt für "Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung" und begründet eine zusätzliche örtliche Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Versicherungsnehmers, hilfsweise am Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts. Von dieser Vorschrift werden alle Ansprüche im Zusammenhang mit einem bestehenden oder angebahnten Versicherungsvertrag einschließlich seiner Vermittlung erfasst.[67] So findet sich auch in der Begründung des Regierungsentwurfs der Hinweis, dass dem Versicherungsnehmer das Recht eingeräumt werden soll, eine "Klage gegen den Versicherer, den Versicherungsvermittler oder Versicherungsberater an seinem Wohnsitz einzureichen".[68] Auch Ansprüche, die aus einer fehlerhaften Beratung resultieren, unterfallen mithin dieser Vorschrift. Nicht erfasst ist hingegen der Direktanspruch des Geschädigten nach einem Verkehrsunfall gegenüber dem gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherer, bei dem die deliktsrechtliche Natur des Anspruchs im Vordergrund steht, ohne dass ein besonderer Bezug zu dem bestehenden Versicherungsvertrag von Bedeutung wäre.[69] Im Falle des Vertragsübergangs nach § 95 VVG kann der neue Versicherungsnehmer an seinem Wohnsitz klagen und es kommt nicht mehr auf den Wohnsitz des bisherigen Versicherungsnehmers an.[70]

[67] OLG München, Urt. v. 17.12.2015 – 14 U 3409/14 – juris; Nugel, VRR 2009, 448.
[68] BegrRegE zu § 215 Abs. 1 VVG, BT-Drucks 16/3945 v. 20.12.2006, S. 117.
[69] Franz, VersR 2008, 298, 307.
[70] AG Bad Segeberg, Beschl. v. 22.11.2018 – 17 C 309/18 (2) – juris.

II. Persönlicher Anwendungsbereich

 

Rz. 47

Der Wortlaut des § 215 VVG ermöglicht lediglich eine Klage am Wohnsitz des Versicherungsnehmers. Da die ZPO zwischen dem von § 13 ZPO erfassten Wohnsitz einer natürlichen Person und dem Sitz einer juristischen Person nach § 17 ZPO differenziert, erscheint auf den ersten Blick fraglich, ob nicht die Zuständigkeitsregelung nach § 215 VVG nur bei einem Versicherungsnehmer eingreift, der eine natürliche Person ist und damit einen Wohnsitz aufweist. Der BGH hat dies jedoch anders entschieden.

 

Rz. 48

Muster 14.13: Eingreifen des § 215 VVG bei einer juristischen Person

 

Muster 14.13: Eingreifen des § 215 VVG bei einer juristischen Person

§ 215 VVG erfasst auch Klagen aus einem Versicherungsvertrag, dessen Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, wobei auf deren Sitz im Sinne des § 17 ZPO abzustellen ist (BGH, Urt. v. 8.11.2017 – IV ZR 551/15 – NJW 2018, 232; OLG Schleswig, Urt. v. 4.6.2015 – 16 U 3/15 = VersR 2015, 1422; OLG München, Urt. v. 17.12.2015 – 14 U 3409/14 – juris). Denn § 215 VVG soll insbesondere ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs nicht allein dem Verbraucherschutz dienen, sondern verfolgt primär den Zweck, die bisherige Gerichtsstandsregelung in § 48 VVG a.F. abzulösen, die ebenfalls nicht zwischen natürlichen und juristischen Personen differenziert hat.

 

Rz. 49

 

Hinweis

Dabei stellt sich auch die Frage, ob § 215 VVG im Fall einer Fremdversicherung auch für die Ansprüche der mitversicherten Person eingreift. Wird dies bejaht gilt nach überzeugender Ansicht der Wohnsitz des Versicherungsnehmers.[71]

 

Rz. 50

Muster 14.14: Zuständigkeit nach § 215 VVG bei Fremdversicherung

 

Muster 14.14: Zuständigkeit nach § 215 VVG bei Fremdversicherung

Für den Anspruch der mitversicherten Person ist die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach § 215 VVG gegeben. Bei einer Fremdversicherung ist in entsprechender Anwendung von § 215 Abs. 1 S. 1 VVG für Klagen des Versicherten aus dem Versicherungsvertrag auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherte seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (OLG Oldenburg, Urt. v. 18.4.2012 – 5 U 196/11 = zfs 2012, 452 = VersR 2012, 887; OLG Hamm, Beschl. v. 21.10.2013 – 20 W 32/13 = zfs 2014, 212; LG Kleve, Beschl. v. 18.9.2018 – 6 O 30/18 = RuS 2019, 684; LG Berlin, Urt. v. 27.3.2014 – 7 O 208/13 – juris; vgl. auch LG Saarbrücken, Beschl. v. 7.6.2011 – 14 O 131/11 = NJW-RR 2011, 1600; LG Stuttgart, Urt. v. 15.5.2013 – 13 S 58/13 = NJW-RR 2014, 213 jeweils bei der Klage eines Bezugsberechtigten).

 

Rz. 51

Auch diese Ansicht ist allerdings umstritten.

 

Rz. 52

Muster 14.15: Keine Wohnsitzzuständigkeit bei Fremdversicherung

 

Muster 14.15: Keine Wohnsitzzuständigkeit bei Fremdversicherung

Auch wenn die Vorschrift des § 215 Abs. 1 VVG über den Gerichtsstand auf den Versicherten, der nicht Versicherungsnehmer ist, anwendbar ist, wäre nach dem Gesetzeswortlaut bei einer Klage des Versicherten jedenfalls nicht dessen Wohnsitz, sondern der des Versicherungsnehmers maßgeblich. Der Wohnsitz des Versicherten kann dagegen nicht über eine analoge Anwendung des § 215 Abs. 1 VVG den Gerichtsstand in Verfahren des bzw. gegen den Versicherten bestimmen, weil eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz nicht vorliegt (LG Cottbus, Urt. v....

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